Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrspolitik. Verordnung (EG) Nr. 2027/97. Warschauer Abkommen. Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen. Frist für die Erhebung einer Klage auf Schadensersatz
Beteiligte
Bogiatzi (épouse Ventouras) |
Irène Bogiatzi, verheiratete Ventouras |
Société Luxair, société luxembourgeoise de navigation aérienne SA |
Europäische Gemeinschaften |
Tenor
1. Das am 12. Oktober 1929 in Warschau unterzeichnete Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in der durch die vier Zusatzprotokolle von Montreal vom 25. September 1975 geänderten Fassung gehört nicht zu den Normen des Gemeinschaftsrechts, für deren Auslegung der Gerichtshof nach Art. 234 EG zuständig ist.
2. Die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen ist dahin auszulegen, dass sie in einem Fall, in dem ein Reisender das Luftfahrtunternehmen wegen eines Schadens in Anspruch nimmt, den er bei einem Flug zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft erlitten hat, der Anwendung von Art. 29 des am 12. Oktober 1929 in Warschau unterzeichneten Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in der durch die vier Zusatzprotokolle von Montreal vom 25. September 1975 geänderten Fassung nicht entgegensteht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Luxemburg) mit Entscheidung vom 26. Juni 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2008, in dem Verfahren
Irène Bogiatzi, verheiratete Ventouras,
gegen
Deutscher Luftpool,
Société Luxair, société luxembourgeoise de navigation aérienne SA,
Europäische Gemeinschaften,
Großherzogtum Luxemburg,
Foyer Assurances SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, J. Malenovský (Berichterstatter) und T. von Danwitz,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: N. Nanchev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Bogiatzi, verheiratete Ventouras, vertreten durch M. Thewes, avocat,
- der Société Luxair, société luxembourgeoise de navigation aérienne SA, vertreten durch L. Schaack und C. Brault, avocats,
- des Großherzogtums Luxemburg, vertreten durch J. Medernach, avocat,
- der Foyer Assurances SA, vertreten durch J. Medernach, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J. S. Pilczer als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Vidal Puig und E. Cujo als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juni 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (ABl. L 285, S. 1) in Verbindung mit dem am 12. Oktober 1929 in Warschau unterzeichneten Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr in der durch die vier Zusatzprotokolle von Montreal vom 25. September 1975 geänderten Fassung (im Folgenden: Warschauer Abkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Bogiatzi, verheiratete Ventouras, einerseits und der luxemburgischen Gesellschaft Luxair, société luxembourgeoise de navigation aérienne SA (im Folgenden: Luxair), sowie der deutschen Gesellschaft Deutscher Luftpool andererseits wegen des gesamtschuldnerischen Ersatzes des Schadens, den Frau Bogiatzi infolge eines Unfalls beim Einsteigen in ein Flugzeug der Luxair erlitten hat.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Die Europäische Gemeinschaft ist nicht Vertragspartei des Warschauer Abkommens, dem die – zur Zeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalts fünfzehn – Mitgliedstaaten der Europäischen Union beigetreten sind.
Rz. 4
Das Warschauer Abkommen in seiner ursprünglichen Fassung wurde durch das Haager Protokoll vom 28. September 1955, das Abkommen von Guadalajara vom 18. September 1961, das Protokoll von Guatemala vom 8. März 1971 und die vier Zusatzprotokolle von Montreal vom 25. September 1975 mehrfach geändert und ergänzt.
Rz. 5
Art. 29 des Warschauer Abkommens bestimmt:
„(1) Die Klage auf Schadensersatz kann nur binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden; die Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist, oder an dem es hätte ankommen sollen, oder an dem die Beförderung abgebrochen worden ist.
(2) Die Berechnung der Frist bestimmt sich nach den Gesetzen des angerufenen Gerichts.”
Gemeinschaftsrecht
Rz. 6
Die ersten fünf Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 202...