Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Marken. Ernsthafte Benutzung einer Marke. Beweislast. Beweis der Benutzung ‚für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen’. Marke, die ein Automobilmodell bezeichnet, dessen Produktion eingestellt wurde. Benutzung der Marke für Teile sowie Dienstleistungen für dieses Modell. Benutzung der Marke für Gebrauchtfahrzeuge. Übereinkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Gegenseitiger Patent-, Muster- und Markenschutz

 

Normenkette

Richtlinie 2008/95/EG Art. 12 Abs. 1, Art. 13; AEUV Art. 351

 

Beteiligte

Ferrari

Ferrari SpA

DU

 

Tenor

1. Art. 12 Abs. 1 und Art. 13 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sind dahin auszulegen, dass bei einer Marke, die für eine Gruppe von Waren und für deren Einzelteile eingetragen ist, davon auszugehen ist, dass sie für alle zu dieser Gruppe gehörenden Waren und für deren Einzelteile im Sinne von Art. 12 Abs. 1 „ernsthaft benutzt” worden ist, wenn sie nur für bestimmte Waren – wie hochpreisige Luxussportwagen – oder nur für die Einzelteile oder das Zubehör einiger der genannten Waren benutzt worden ist, es sei denn, aus relevanten Tatsachen und Beweisen ergibt sich, dass der Verbraucher, der solche Waren erwerben möchte, in ihnen eine selbständige Untergruppe der Gruppe von Waren sieht, für die die betreffende Marke eingetragen wurde.

2. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass eine Marke von ihrem Inhaber ernsthaft benutzt werden kann, indem er gebrauchte, unter dieser Marke in den Verkehr gebrachte Waren vertreibt.

3. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass eine Marke von ihrem Inhaber ernsthaft benutzt wird, wenn er für die zuvor unter dieser Marke vertriebenen Waren bestimmte Dienstleistungen anbietet, vorausgesetzt, die Dienstleistungen werden unter der betreffenden Marke angeboten.

4. Art. 351 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er es einem Gericht eines Mitgliedstaats gestattet, ein vor dem 1. Januar 1958 oder, im Fall von Staaten, die der Europäischen Union beigetreten sind, vor ihrem Beitritt geschlossenes Übereinkommen zwischen einem Mitgliedstaat der Union und einem Drittstaat wie das am 13. April 1892 in Berlin unterzeichnete Übereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz in geänderter Fassung – das vorsieht, dass die Verwendung einer in diesem Mitgliedstaat eingetragenen Marke im Hoheitsgebiet des Drittstaats berücksichtigt werden muss, um zu klären, ob die Marke im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 „ernsthaft benutzt” worden ist – anzuwenden, bis eines der in Art. 351 Abs. 2 AEUV genannten Mittel es gestattet, etwaige Unvereinbarkeiten zwischen dem AEU-Vertrag und dem Übereinkommen zu beheben.

5. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass den Inhaber einer Marke die Beweislast dafür trifft, dass die Marke im Sinne dieser Bestimmung „ernsthaft benutzt” worden ist.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidungen vom 8. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 16. November 2018, in den Verfahren

Ferrari SpA

gegen

DU

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Ferrari SpA, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Pansch, S. Klopschinski, A. Sabellek und H. Hilge,
  • von DU, vertreten durch Rechtsanwalt M. Krogmann,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, W. Mölls und M. Šimerdová als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).

Rz. 2

Sie ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Ferrari SpA und DU über die Löschung von zwei Marken, deren Inhaberin Ferrari ist, wegen mangelnder ernsthafter Benutzung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 6 und 10 der Richtlinie 2008/95 lauteten:

„(6) Den Mitgliedstaaten sollte es weiterhin freistehen, Verfahrensbestimmungen für die Eintragung, den Verfall oder die Ungültigkeit der durch Eintragung erworbenen Marken zu erlassen. Es steht ihnen beispielsweise zu, die Form der Verfahren für die Eintragung un...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge