Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Medizinprodukte. Richtlinie 93/42/EWG. Anwendungsbereich. Auslegung des Begriffs ‚Medizinprodukt’. Für nichtmedizinische Zwecke vertriebenes Produkt. Untersuchung eines physiologischen Vorgangs. Freier Warenverkehr

 

Beteiligte

Brain Products

Brain Products GmbH

BioSemi VOF

Antonius Pieter Kuiper

Robert Jan Gerard Honsbeek

Alexander Coenraad Metting van Rijn

 

Tenor

Art. 1 Abs. 2 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte in der durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Gegenstand, der von seinem Hersteller zur Anwendung für Menschen zum Zwecke der Untersuchung eines physiologischen Vorgangs konzipiert wurde, nur dann unter den Begriff „Medizinprodukt” fällt, wenn der Gegenstand für einen medizinischen Zweck bestimmt ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Mai 2011, in dem Verfahren

Brain Products GmbH

gegen

BioSemi VOF,

Antonius Pieter Kuiper,

Robert Jan Gerard Honsbeek,

Alexander Coenraad Metting van Rijn

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Brain Products GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin B. Ackermann und Rechtsanwalt F. Bernreuther,
  • der BioSemi VOF sowie von Herrn Kuiper, Herrn Honsbeek und Herrn Metting van Rijn, vertreten durch die Rechtsanwälte D. Wieddekind, P. Baukelmann und H. Büttner,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos und G. Wilms als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Mai 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169, S. 1) in der durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 (ABl. L 247, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/42).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Brain Products GmbH (im Folgenden: Brain Products) einerseits und der BioSemi VOF, Herrn Kuiper, Herrn Honsbeek und Herrn Metting van Rijn (im Folgenden: BioSemi u. a.) andererseits über die Anwendung der Richtlinie 93/42 auf ein Produkt, das zur Untersuchung eines physiologischen Vorgangs bestimmt ist und dessen nichtmedizinischer Gebrauch von seinem Hersteller festgelegt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2, 3, 5, 17 und 18 der Richtlinie 93/42 lauten:

„Die in den Mitgliedstaaten geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften bezüglich der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes und der Leistungen der Medizinprodukte unterscheiden sich jeweils nach Inhalt und Geltungsbereich. Auch die Zertifizierungs- und Kontrollverfahren für diese Produkte sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden; solche Unterschiede stellen Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel dar.

Die einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Patienten, der Anwender und gegebenenfalls Dritter im Hinblick auf die Anwendung der Medizinprodukte dienen, bedürfen der Harmonisierung, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten.

Medizinprodukte müssen für Patienten, Anwender und Dritte einen hochgradigen Schutz bieten und die vom Hersteller angegebenen Leistungen erreichen. Die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des in den Mitgliedstaaten erreichten Schutzniveaus ist eines der wesentlichen Ziele dieser Richtlinie.

Die Medizinprodukte müssen im Regelfall mit der CE-Kennzeichnung versehen sein, aus [der] ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften dieser Richtlinie hervorgeht und [die] Voraussetzung für den freien Verkehr der Medizinprodukte in der Gemeinschaft und ihre bestimmungsgemäße Inbetriebnahme ist.

Im Rahmen der Bekämpfung von Aids und unter Berücksichtigung der vom Rat am 16. Mai 1989 verabschiedeten Schlussfolgerungen über die künftigen Tätigkeiten zur Verhütung und Kontrolle von Aids in der Gemeinschaft … müssen die zum Schutz vor einer Infizierung mit dem HIV-Virus angewandten Medizinprodukte einen hochgradigen Schutz bieten. Auslegung und Herstellung dieser Produkte müssen durch eine benannte Stelle geprüft werden.”

Rz. 4

Art. 1 („Begriffsbestimmungen, Anwendungsbereich”) der Richtlinie 93/42 sieht vor:

„(1) Diese Richtlinie gilt für Medizinp...

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