Entscheidungsstichwort (Thema)
Seeverkehr. Verschmutzung der Atmosphäre durch Schiffe. Fahrgastschiffe im Linienverkehr. Kreuzfahrtschiffe. Maximaler Schwefelgehalt von Schiffskraftstoffen. Gültigkeit
Normenkette
Richtlinie 1999/32/EG; Marpol-Übereinkommen 73/78 Anlage VI
Beteiligte
Manzi und Compagnia Naviera Orchestra |
Compagnia Naviera Orchestra |
Capitaneria di Porto di Genova |
Tenor
1. Ein Kreuzfahrtschiff wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende fällt im Hinblick auf das in Art. 2 Nr. 3g der Richtlinie 1999/32/EG des Rates vom 26. April 1999 über eine Verringerung des Schwefelgehalts bestimmter flüssiger Kraft- oder Brennstoffe und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG in der durch die Richtlinie 2005/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 geänderten Fassung aufgestellte Kriterium des „Linienverkehrs” in den Anwendungsbereich von Art. 4a Abs. 4 der Richtlinie 1999/32, sofern es Kreuzfahrten mit oder ohne Zwischenstopps unternimmt, die im Abfahrtshafen oder einem anderen Hafen enden, wobei diese Kreuzfahrten in einem bestimmten Rhythmus, zu genauen Terminen und grundsätzlich zu genauen Abfahrts- und Ankunftszeiten durchgeführt werden und die Interessenten frei zwischen den einzelnen angebotenen Kreuzfahrten wählen können; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
2. Die Gültigkeit von Art. 4a Abs. 4 der Richtlinie 1999/32 in der durch die Richtlinie 2005/33 geänderten Fassung kann weder anhand des völkerrechtlichen Grundsatzes pacta sunt servanda noch anhand des in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit mit der Begründung geprüft werden, dass diese Bestimmung der Richtlinie möglicherweise gegen die Anlage VI des am 2. November 1973 in London unterzeichneten Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe in der durch das Protokoll vom 17. Februar 1978 ergänzten Fassung verstoße und dadurch die Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des am 26. September 1997 in London unterzeichneten Protokolls von 1997 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe in der durch das Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung sind, dazu zwinge, ihre Verpflichtungen gegenüber den anderen Vertragsparteien dieses Protokolls zu verletzen.
3. Es ist nicht Sache des Gerichtshofs der Europäischen Union, sich zu der Frage zu äußern, wie sich die Anlage VI auf die Tragweite von Art. 4a Abs. 4 der Richtlinie 1999/32 in der durch die Richtlinie 2005/33 geänderten Fassung auswirkt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Genova (Italien) mit Entscheidung vom 18. Juni 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Oktober 2011, in dem Verfahren
Mattia Manzi,
Compagnia Naviera Orchestra
gegen
Capitaneria di Porto di Genova,
Beteiligter:
Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer, der Richter M. Safjan und J. Malenovský (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Manzi und der Compagnia Naviera Orchestra, vertreten durch A. Rossi und S. Dameri, avvocati, beauftragt durch B. O'Connor, Solicitor,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,
- des Europäischen Parlaments, vertreten durch I. Anagnostopolou, L. Visaggio und J. Rodrigues als Bevollmächtigte,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch K. Michoel, S. Barbagallo und M. Moore als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Boelaert, S. Petrova, L. Pignataro-Nolin und L. Prete als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 3g und Art. 4a Abs. 4 der Richtlinie 1999/32/EG des Rates vom 26. April 1999 über eine Verringerung des Schwefelgehalts bestimmter flüssiger Kraft- oder Brennstoffe und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG (ABl. L 121, S. 13) in der durch die Richtlinie 2005/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 (ABl. L 191, S. 59) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 1999/32).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Manzi und der Compagnia Naviera Orchestra einerseits sowie der Capitaneria di Porto di Genova (Hafenamt Genua, Italien) andererseits wegen einer Verwaltungsstrafe, die wegen Verstoßes gegen den maximalen Schwefelg...