Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerb. Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Geschäftsbeziehungen zwischen Tankstellenbetreibern und Mineralölunternehmen. Langfristige Alleinbezugsvereinbarung über Treibstoffe. Beschluss, mit dem die Europäische Kommission Verpflichtungszusagen eines Unternehmens für bindend erklärt. Umfang der Bindung nationaler Gerichte an einen Beschluss der Kommission über die Verpflichtungszusagen
Normenkette
AEUV Art. 101; Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 16 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1
Beteiligte
Antonio Ferrándiz González |
Repsol Comercial de Productos Petrolíferos SA |
Tenor
Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln ist dahin auszulegen, dass ein von der Europäischen Kommission gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung in Bezug auf bestimmte Vereinbarungen zwischen Unternehmen gefasster Beschluss über Verpflichtungszusagen die nationalen Gerichte nicht daran hindert, die Vereinbarkeit dieser Vereinbarungen mit den Wettbewerbsregeln zu prüfen und gegebenenfalls in Anwendung von Art. 101 Abs. 2 AEUV ihre Nichtigkeit festzustellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 18. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2016, in dem Verfahren
Gasorba SL,
Josefa Rico Gil,
Antonio Ferrándiz González
gegen
Repsol Comercial de Productos Petrolíferos SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan, D. Šváby (Berichterstatter) und M. Vilaras,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Gasorba SL, von Frau Rico Gil und von Herrn Ferrándiz González, vertreten durch D. García Riquelme, procurador, A. Hernández Pardo, abogado, und L. Ruiz Ezquerra, abogada,
- der Repsol Comercial de Productos Petrolíferos SA, vertreten durch A. Requeijo Pascua und P. Arévalo Nieto, abogados, sowie durch M. Villarrubia García, abogada,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Castilla Contreras, F. Jimeno Fernández und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. September 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) und von Art. 101 Abs. 3 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gasorba SL, Frau Josefa Rico Gil sowie Herrn Antonio Ferrándiz González (im Folgenden zusammen: Gasorba u. a.) einerseits und der Repsol Comercial de Productos Petrolíferos SA (im Folgenden: Repsol) andererseits über die Gültigkeit eines mit einer Alleinbezugsverpflichtung verbundenen Pachtvertrags über eine Tankstelle im Hinblick auf Art. 101 AEUV.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 13 und 22 der Verordnung Nr. 1/2003 lauten:
„(13) Bieten Unternehmen im Rahmen eines Verfahrens, das auf eine Verbotsentscheidung gerichtet ist, der Kommission an, Verpflichtungen einzugehen, die geeignet sind, die Bedenken der Kommission auszuräumen, so sollte die Kommission diese Verpflichtungszusagen durch Entscheidung für die Unternehmen bindend erklären können. Ohne die Frage zu beantworten, ob eine Zuwiderhandlung vorgelegen hat oder noch vorliegt, sollte in solchen Entscheidungen festgestellt werden, dass für ein Tätigwerden der Kommission kein Anlass mehr besteht. Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen lassen die Befugnisse der Wettbewerbsbehörden und der Gerichte der Mitgliedstaaten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festzustellen und über den Fall zu entscheiden, unberührt. Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen sind für Fälle ungeeignet, in denen die Kommission eine Geldbuße aufzuerlegen beabsichtigt.
…
(22) In einem System paralleler Zuständigkeiten müssen im Interesse der Rechtssicherheit und der einheitlichen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden. Die Wirkungen von Entscheidungen und Verfahren der Kommission auf Gerichte und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten müssen daher im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt werden. Von der Kommission angenommene Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen berühren nicht die Befugnis der Gerichte und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, die Artikel [101] und [102 AEUV] anzuwenden.”
Rz. 4
Art. 6 „Zuständigkeit der Ge...