Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Französischer Luftverkehrsmarkt. Von der Französischen Republik angemeldete Beihilferegelung. Zahlungsmoratorium für Luftverkehrsabgaben und -entgelte zur Unterstützung von Luftfahrtunternehmen im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen. Beschluss der Europäischen Kommission, keine Einwände zu erheben. Beihilfe zur Beseitigung von Schäden, die durch ein außergewöhnliches Ereignis entstanden sind. Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung. Freier Dienstleistungsverkehr
Normenkette
AEUV Art. 107 Abs. 2 Buchst. b
Beteiligte
Tenor
1.Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2.Die Ryanair DAC trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission entstanden sind.
3.Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-210/21 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 2. April 2021,
Ryanair DACmit Sitz in Swords (Irland), vertreten durch V. Blanc, F.-C. Laprévote und E. Vahida, Avocats, I.-G. Metaxas-Maranghidis, Dikigoros, sowie D. Pérez de Lamo und S. Rating, Abogados,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Europäische Kommission,vertreten durch L. Flynn, C. Georgieva, S. Noë und F. Tomat als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Französische Republik,zunächst vertreten durch A.-L. Desjonquères, P. Dodeller, T. Stéhelin und N. Vincent, dann durch A.-L. Desjonquères, T. Stéhelin und N. Vincent, und schließlich durch A.-L. Desjonquères und T. Stéhelin als Bevollmächtigte,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei, der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin (Berichterstatter) sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2022,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Ryanair DAC die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Februar 2021, Ryanair/Kommission (T-259/20, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2021:92), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2020) 2097 final der Kommission vom 31. März 2020 über die staatliche Beihilfe SA.56765 (2020/N) – Frankreich – COVID-19 – Zahlungsmoratorium für Luftverkehrsabgaben zugunsten öffentlicher Luftfahrtunternehmen (ABl. 2020, C 294, S. 8, im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss
Rz. 2
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, kann wie folgt zusammengefasst werden.
Rz. 3
Am 24. März 2020 meldete die Französische Republik bei der Europäischen Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV eine Beihilfemaßnahme in Form eines Zahlungsmoratoriums für die jeweils von Luftfahrtunternehmen zu entrichtende Zivilluftfahrtsteuer und die Solidaritätsabgabe auf Flugtickets (im Folgenden: in Rede stehende Beihilferegelung) an.
Rz. 4
Ziel der in Rede stehenden Beihilferegelung war, dass Luftfahrtunternehmen, die eine in Frankreich gemäß Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3) erteilte Betriebsgenehmigung (im Folgenden: französische Genehmigung) besitzen, bis zur Aufhebung der mit der Covid-19-Pandemie verbundenen Reisebeschränkungen oder -verbote und bis zur Rückkehr zu einer normalen Geschäftstätigkeit genügend Liquidität verbleibt. Die Regelung sah vor, dass die Zahlung der für den Zeitraum von März bis Dezember 2020 geschuldeten Zivilluftfahrtsteuer und der Solidaritätsabgabe auf Flugtickets bis zum 1. Januar 2021 gestundet und auf einen Zeitraum von 24 Monaten bis zum 31. Dezember 2022 gestreckt werden sollte. Die genaue Höhe der Abgaben sollte sich nach der Zahl der beförderten Passagiere oder der Zahl der Flüge ab einem französischen Flughafen richten. Im Übrigen sollte die in Rede stehende Beihilferegelung den öffentlichen Luftfahrtunternehmen zugutekommen, die eine französische Genehmigung besaßen, was voraussetzte, dass sie ihren „Hauptgeschäftssitz“ in Frankreich hatten.
Rz. 5
Am 31. März 2020 erließ die Kommission den streitigen Beschluss, in dem sie nach der Feststellung, dass die in Rede stehende Beihilferegelung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt prüfte, und zwar insbesondere anhand von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV.
Rz. 6
In diesem Zusammenhang vertrat die Kommission zunächst einmal die Auffassun...