Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit. Besondere Zuständigkeit für Verfahren, die eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung zum Gegenstand haben. Klage auf Unterlassung wettbewerbswidriger Geschäftspraktiken. Behauptung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch von vertraglichen Bestimmungen gedeckte Geschäftspraktiken. Online-Buchungsplattform für Unterkünfte booking.com
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 7 Nrn. 1-2
Beteiligte
Wikingerhof GmbH & Co. KG |
Tenor
Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er für eine Klage gilt, die auf die Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen im Rahmen einer Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten gerichtet ist und die darauf gestützt wird, dass der Beklagte unter Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutze.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Januar 2019, in dem Verfahren
Wikingerhof GmbH & Co. KG
gegen
Booking.com BV,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Richters T. von Danwitz, der Richterin C. Toader, des Richters M. Safjan (Berichterstatter), der Richter D. Šváby und S. Rodin, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und P. G. Xuereb,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Wikingerhof GmbH & Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwälte V. Soyez und C. Aufdermauer,
- der Booking.com BV, vertreten durch die Rechtsanwälte T. Winter, N. Hermann, L. Alexy und C. Bauch,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Kasalická als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und G. Meessen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. September 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wikingerhof GmbH & Co. KG, einer Gesellschaft deutschen Rechts, die ein Hotel im Land Schleswig-Holstein (Deutschland) betreibt, und der Booking.com BV, einer Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in den Niederlanden, die eine Buchungsplattform für Unterkünfte betreibt. Der Gegenstand dieses Rechtsstreits sind bestimmte Praktiken der Booking.com BV, mit denen nach dem Vorbringen von Wikingerhof eine beherrschende Stellung missbraucht wird.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 15, 16 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 lauten:
„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(16) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. Dies ist besonders wichtig bei Rechtsstreitigkeiten, die außervertragliche Schuldverhältnisse infolge der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte einschließlich Verleumdung betreffen.
…
(34) Um die Kontinuität zwischen dem … Übereinkommen [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- un...