Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Kosten im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Hypothekendarlehensvertrags. Erstattung von Beträgen, die aufgrund einer für missbräuchlich erklärten Klausel gezahlt wurden. Beginn der Verjährungsfrist des Erstattungsanspruchs
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Caixabank (Prescription de remboursement des frais hypothécaires) |
Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA |
Tenor
1.Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind im Licht des Effektivitätsgrundsatzes
dahin auszulegen, dass
sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach im Anschluss an die Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Vertragsklausel, mit der dem Verbraucher die Kosten des Abschlusses eines Hypothekendarlehensvertrags auferlegt werden, der Anspruch auf Erstattung solcher Kosten einer Verjährungsfrist von zehn Jahren unterliegt, die ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sich die Wirkungen dieser Klausel erschöpft haben, weil die letzte Zahlung der Kosten geleistet wurde, ohne dass es insoweit als relevant angesehen würde, dass der Verbraucher von der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts Kenntnis hat. Ob die Anwendungsmodalitäten einer Verjährungsfrist mit den oben genannten Bestimmungen vereinbar sind, ist unter Berücksichtigung dieser Modalitäten in ihrer Gesamtheit zu beurteilen.
2.Die Richtlinie 93/13
ist dahin auszulegen, dass
sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach zur Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist für den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung von aufgrund einer missbräuchlichen Vertragsklausel rechtsgrundlos gezahlten Beträgen das Bestehen einer gefestigten nationalen Rechtsprechung zur Nichtigkeit derartiger Klauseln als Nachweis dafür angesehen werden kann, dass die Voraussetzung der Kenntnis des betroffenen Verbrauchers von der Missbräuchlichkeit dieser Klausel und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen erfüllt ist.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen C-810/21 bis C-813/21
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona, Spanien) mit Entscheidungen vom 9. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 2021, in den Verfahren
Caixabank SA,vormals Bankia SA,
gegen
WE,
XA(C-810/21)
und
Banco Bilbao Vizcaya ArgentariaSA
gegen
TB,
UK(C-811/21)
und
Banco SantanderSA
gegen
OG(C-812/21)
und
OK,
PI
gegen
Banco Sabadell SA(C-813/21)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu–Matei sowie des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Caixabank SA, vertreten durch J. Gutiérrez de Cabiedes Hidalgo de Caviedes, Abogado,
- – von WE, XA, TB, UK, OG, OK und PI, vertreten durch J. Fraile Mena, Procurador, und F. García Domínguez, Abogado,
- – der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo und A. M. Rodríguez Conde, Abogados,
- – der Banco Santander SA, vertreten durch M. García-Villarrubia Bernabé und C. Vendrell Cervantes, Abogados,
- – der Banco Sabadell SA, vertreten durch G. Serrano Fenollosa und R. Vallina Hoset, Abogados,
- – der spanischen Regierung, vertreten durch A. Ballesteros Panizo und A. Pérez-Zurita Gutiérrez als Bevollmächtigte,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Rocchitta, Avvocato dello Stato,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Caixabank SA, vormals Bankia SA, einerseits sowie WE und XA andererseits (Rechtssache C-810/21), zwischen der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA einerseits sowie TB und UK andererseits (Rechtssache C-811/21), zwischen der Banco Santander SA und OG (Rechtssache C-812/21) sowie zwischen OK und PI einerseits und der Banco Sabadell SA andererseits (Rechtssache C-813/21) über die Folgen der Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel in zwischen diesen Parteien geschlossenen Hypothekendarlehensverträgen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/1...