Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Hypothekendarlehensvertrag. Klausel, wonach der Verbraucher die mit dem Vertrag verbundenen Kosten zu tragen hat. Rechtskräftige Gerichtsentscheidung, mit der die Missbräuchlichkeit dieser Klausel festgestellt und diese für nichtig erklärt wird. Klage auf Rückerstattung der aufgrund der missbräuchlichen Klausel gezahlten Beträge. Beginn der Verjährungsfrist für den Erstattungsanspruch
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Banco Santander (Départ du délai de prescription) |
Tenor
1.Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sowie der Grundsatz der Rechtssicherheit
sind dahin auszulegen, dass
sie dem nicht entgegenstehen, dass die Verjährungsfrist eines Anspruchs auf Rückerstattung von Kosten, die der Verbraucher aufgrund einer Klausel in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag entrichtet hat, deren Missbräuchlichkeit nach der Zahlung dieser Kosten durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt wurde, am Tag dieser Entscheidung zu laufen beginnt, solange der Gewerbetreibende die Möglichkeit hat, den Nachweis dafür zu erbringen, dass dieser Verbraucher vor dieser Entscheidung von der Missbräuchlichkeit der betreffenden Klausel Kenntnis hatte oder vernünftigerweise haben konnte.
2.Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13
sind dahin auszulegen, dass
sie dem entgegenstehen, dass die Verjährungsfrist eines Anspruchs auf Rückerstattung von Kosten, die der Verbraucher aufgrund einer Klausel in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag entrichtet hat, deren Missbräuchlichkeit nach der Zahlung dieser Kosten durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt wurde, bereits zu dem früheren Zeitpunkt zu laufen beginnt, nämlich an dem Tag, an dem das oberste nationale Gericht in getrennten Rechtssachen Urteile verkündet hat, mit denen Standardklauseln, die der betreffenden Vertragsklausel entsprechen, für missbräuchlich erklärt wurden.
3.Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13
sind dahin auszulegen, dass
sie dem entgegenstehen, dass die Verjährungsfrist eines Anspruchs auf Rückerstattung von Kosten, die der Verbraucher aufgrund einer Klausel in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag entrichtet hat, deren Missbräuchlichkeit durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt wurde, an dem Tag beginnt, an dem bestimmte Urteile des Gerichtshofs ergingen, mit denen die grundsätzliche Vereinbarkeit von Verjährungsfristen für Erstattungsklagen mit dem Unionsrecht bestätigt wurde, solange diese die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-561/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 22. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 10. September 2021, in dem Verfahren
GP,
BG
gegen
Banco SantanderSA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei, des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Banco Santander SA, vertreten durch M. Á. Cepero Aránguez und M. García-Villarrubia Bernabé, Abogados,
- – der spanischen Regierung, vertreten durch A. Ballesteros Panizo und A. Pérez-Zurita Gutiérrez als Bevollmächtigte,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Rocchitta, Avvocato dello Stato,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen GP und BG, zwei Verbrauchern, auf der einen und der Banco Santander SA, einem Kreditinstitut, auf der anderen Seite wegen der geforderten Rückerstattung von Beträgen, die aufgrund einer Vertragsklausel gezahlt wurden, deren Missbräuchlichkeit mit rechtskräftiger Gerichtsentscheidung festgestellt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und le...