Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Hypothekendarlehensvertrag. Klausel, wonach der Verbraucher die mit dem Vertrag verbundenen Kosten zu tragen hat. Rechtskräftige Gerichtsentscheidung, mit der die Missbräuchlichkeit dieser Klausel festgestellt und diese für nichtig erklärt wird. Klage auf Rückerstattung der aufgrund der missbräuchlichen Klausel gezahlten Beträge. Beginn der Verjährungsfrist
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Caixabank (Délai de prescription) |
Tenor
1.Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz
sind dahin auszulegen, dass
sie dem entgegenstehen, dass die Verjährungsfrist für einen Anspruch auf Rückerstattung von Kosten, die der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einem Gewerbetreibenden aufgrund einer Vertragsklausel gezahlt hat, deren Missbräuchlichkeit nach der Zahlung dieser Kosten durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt wurde, am Tag dieser Zahlung zu laufen beginnt, unabhängig von der Frage, ob der Verbraucher bei dieser Zahlung von der Missbräuchlichkeit dieser Klausel Kenntnis hatte oder vernünftigerweise haben konnte, oder bevor die Nichtigkeit dieser Klausel durch diese Entscheidung festgestellt wurde.
2.Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13
sind dahin auszulegen, dass
sie dem entgegenstehen, dass die Verjährungsfrist für einen Anspruch auf Rückerstattung von Kosten, die der Verbraucher aufgrund einer Klausel in einem mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrag gezahlt hat, deren Missbräuchlichkeit durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt wurde, an dem Tag zu laufen beginnt, an dem das oberste nationale Gericht zuvor in einer getrennten Rechtssache ein Urteil erlassen hat, das eine Standardklausel für missbräuchlich erklärt, die derjenigen des in Rede stehenden Vertrags entspricht.
Tatbestand
In der Rechtssache C-484/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia no20 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 20 Barcelona, Spanien) mit Entscheidung vom 22. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2021, in dem Verfahren
F C C,
M A B
gegen
Caixabank SA, vormals Bankia SA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei, des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von F C C und M A B, vertreten durch I. Fernández Grañeda, F. Gómez Hidalgo Terán und J. Zaera Herrera, Abogados,
- – der Caixabank SA, vertreten durch J. Gutiérrez de Cabiedes Hidalgo de Caviedes, J. Rodríguez Cárcamo und E. Valencia Ortega, Abogados,
- – der spanischen Regierung, vertreten durch A. Ballesteros Panizo und A. Pérez-Zurita Gutiérrez als Bevollmächtigte,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Rocchitta, Avvocato dello Stato,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen F C C und M A B, zwei Verbrauchern, auf der einen und der Caixabank SA, vormals Bankia SA, einem Kreditinstitut, auf der anderen Seite wegen der geforderten Rückerstattung von Beträgen, die aufgrund einer Vertragsklausel gezahlt wurden, deren Missbräuchlichkeit mit rechtskräftiger Gerichtsentscheidung festgestellt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“
Rz. 4
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen...