Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Einlagensicherungssysteme. Begriff ‚nichtverfügbare Einlage’. Feststellung der Nichtverfügbarkeit der Einlage. Zuständige Behörde. Entschädigungsanspruch des Einlegers. Gegen die Richtlinie 94/19 verstoßende Vertragsklausel. Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts. Europäisches System der Finanzaufsicht. Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Empfehlung der EBA an eine nationale Bankenaufsichtsbehörde betreffend Maßnahmen, die zu ergreifen sind, um der Richtlinie 94/19 nachzukommen. Rechtswirkungen. Gültigkeit. Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten. Begriff ‚Sanierungsmaßnahmen’. Vereinbarkeit mit Art. 17 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Haftung der Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Unionsrecht. Voraussetzungen. Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht. Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität
Normenkette
Richtlinie 94/19/EG Art. 1 Nr. 3 Ziff. i, Art. 7 Abs. 6, Art. 10 Abs. 1; EUV Art. 4 Abs. 3; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 17 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1; Richtlinie 2001/24/EG Art. 2 siebter Gedankenstrich; Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Nr. 2 Ziff. iii, Art. 17 Abs. 3
Beteiligte
Tenor
1. Art. 7 Abs. 6 der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme in der durch die Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der in dieser Vorschrift vorgesehene Anspruch des Einlegers auf Entschädigung nur die Auszahlung der nicht verfügbaren Einlagen dieses Einlegers durch das Einlagensicherungssystem bis zu der in Art. 7 Abs. 1a der Richtlinie 94/19 in der durch die Richtlinie 2009/14 geänderten Fassung festgelegten Höhe nach Feststellung der Nichtverfügbarkeit der von diesem Kreditinstitut verwalteten Einlagen durch die zuständige nationale Behörde gemäß Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 in der durch die Richtlinie 2009/14 geänderten Fassung umfasst, so dass Art. 7 Abs. 6 der Richtlinie 94/19 in der durch die Richtlinie 2009/14 geänderten Fassung keinen Anspruch auf Entschädigung zugunsten dieses Einlegers für einen Schaden begründen kann, der durch die verspätete Auszahlung des gesicherten Betrags seiner gesamten Einlagen oder durch eine unzureichende Aufsicht seitens der zuständigen nationalen Behörden über das Kreditinstitut, bei dem die Einlagen nicht mehr verfügbar sind, verursacht wurde.
2. Die Bestimmungen des Art. 1 Nr. 3 Ziff. i in Verbindung mit den Bestimmungen des Art. 7 Abs. 6 und des Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 in der durch die Richtlinie 2009/14 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder einer Vertragsklausel entgegenstehen, wonach eine Einlage bei einem Kreditinstitut, dessen Zahlungen ausgesetzt wurden, erst fällig wird, nachdem die zuständige Behörde die diesem Institut erteilte Bankzulassung widerrufen hat, und unter der Voraussetzung, dass der Einleger ausdrücklich die Auszahlung dieser Einlage verlangt hat. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts ist jedes nationale Gericht, das mit einer Klage auf Ersatz des Schadens befasst ist, der durch die Auszahlung des gesicherten Betrags einer solchen Einlage außerhalb der in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 in der durch die Richtlinie 2009/14 geänderten Fassung vorgesehenen Frist verursacht worden sein soll, verpflichtet, diese nationale Regelung oder diese Vertragsklausel bei der Entscheidung über diese Klage unberücksichtigt zu lassen.
3. Art. 17 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission ist im Licht des 27. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht eine Empfehlung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, die auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassen wurde, berücksichtigen muss, um den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden, insbesondere im Rahmen einer Klage, mit der die Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden festgestellt werden soll, die einem Einzelnen durch die Nichtanwendung oder die nicht ordnungsgemäße oder unzureichende Anwendung des Unionsrechts entstanden sind, die dem Untersuchungsverfahren zugrunde liegt, das zur Annahme dieser Empfehlung geführt hat. Die durch den durch eine solche Empfehlung festgestellten Verstoß gegen das Unionsrecht Geschädigten müssen sich, auch wenn sie nicht Adressaten dieser Empfehlung sind, auf diese stützen können, um vor den zuständigen nationalen Gerichten die Haftung des betreffenden Mitgliedst...