Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer Hypothekenforderung. Unmittelbar vollstreckbare notarielle Urkunde. Gerichtliche Kontrolle missbräuchlicher Klauseln. Aussetzung der Zwangsvollstreckung. Unzuständigkeit des mit einem Antrag auf Zwangsvollstreckung befassten Gerichts. Verbraucherschutz. Effektivitätsgrundsatz. Unionsrechtskonforme Auslegung
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Tenor
Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, aufgrund deren ein mit einem Antrag auf Zwangsvollstreckung eines Hypothekenkreditvertrags, der zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher in Form einer unmittelbar vollstreckbaren notariellen Urkunde geschlossen wurde, befasstes nationales Gericht weder auf Antrag des Verbrauchers noch von Amts wegen prüfen kann, ob die in einer solchen Urkunde enthaltenen Klauseln missbräuchlich im Sinne der genannten Richtlinie sind, und aufgrund dessen die beantragte Zwangsvollstreckung aussetzen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Višje sodišče v Mariboru (Obergericht Maribor, Slowenien) mit Entscheidung vom 6. Juni 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Juni 2018, in dem Verfahren
Aleš Kuhar,
Jožef Kuhar
gegen
Addiko Bank d.d.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters C. G. Fernlund und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der slowenischen Regierung, vertreten durch B. Jovin Hrastnik als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kocjan und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Aleš Kuhar und Herr Jožef Kuhar (im Folgenden: Kläger) gegen die Addiko Bank d.d., eine slowenische Bank, führen und der die Zwangsvollstreckung einer Forderung aus einem Hypothekenkreditvertrag in Form einer unmittelbar vollstreckbaren notariellen Urkunde betrifft.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 der Richtlinie 93/13 bestimmt:
„(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.
(2) Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.
…”
Rz. 4
Art. 4 der Richtlinie lautet:
„(1) Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.
(2) Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.”
Rz. 5
In Art. 5 der Richtlinie heißt es:
„Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung. …”
Rz. 6
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.”
Rz. 7
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:
„Die Mitgli...