Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Zulässigkeit. Auswirkungen des vorgeworfenen Verhaltens auf den Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist. Dauerhafte Auswirkungen auf die Einheitlichkeit und Kohärenz des völkerrechtlichen Handelns der Europäischen Union. Hinlänglichkeit der Maßnahmen, die der betroffene Mitgliedstaat ergriffen hat, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen. Abstimmung der Bundesrepublik Deutschland entgegen dem im Beschluss 2014/699/EU anlässlich der 25. Sitzung des Revisionsausschusses der Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) von der Union festgelegten Standpunkt sowie Widerspruch dieses Mitgliedstaats gegen diesen Standpunkt und gegen die darin festgelegten Regelungen für die Ausübung der Stimmrechte. Beschluss 2014/699/EU
Normenkette
AEUV Art. 258; EUV Art. 4 Abs. 3
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem Beschluss 2014/699/EU des Rates vom 24. Juni 2014 zur Festlegung des im Namen der Europäischen Union anlässlich der 25. Sitzung des OTIF-Revisionsausschusses zu bestimmten Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und seiner Anhänge zu vertretenden Standpunkts sowie aus Art. 4 Abs. 3 EUV verstoßen, dass sie in der 25. Sitzung des Revisionsausschusses der Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) entgegen dem in diesem Beschluss festgelegten Standpunkt abgestimmt sowie öffentlich diesem Standpunkt und den darin vorgesehenen Regelungen für die Ausübung der Stimmrechte widersprochen hat.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
3. Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 29. November 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls, L. Havas, J. Hottiaux und J. Norris-Usher als Bevollmächtigte,
Klägerin,
unterstützt durch
Rat der Europäischen Union, vertreten durch R. Liudvinaviciute-Cordeiro und J.-P. Hix als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2018,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem Beschluss 2014/699/EU des Rates vom 24. Juni 2014 zur Festlegung des im Namen der Europäischen Union anlässlich der 25. Sitzung des OTIF-Revisionsausschusses zu bestimmten Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und seiner Anhänge zu vertretenden Standpunkts (ABl. 2014, L 293, S. 26) sowie aus Art. 4 Abs. 3 EUV verstoßen hat, dass sie in der 25. Sitzung des Revisionsausschusses der Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) entgegen den in diesem Beschluss festgelegten Standpunkt abgestimmt sowie öffentlich diesem Standpunkt und den darin vorgesehenen Regelungen für die Ausübung der Stimmrechte widersprochen hat.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
COTIF
Rz. 2
Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls von Vilnius vom 3. Juni 1999 (im Folgenden: COTIF) trat am 1. Juli 2006 in Kraft. Die 49 Staaten, die Parteien des COTIF sind und zu denen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme der Republik Zypern und der Republik Malta gehören, bilden die OTIF.
Rz. 3
Nach Art. 2 § 1 COTIF ist Ziel der OTIF, den internationalen Eisenbahnverkehr in jeder Hinsicht zu fördern, zu verbessern und zu erleichtern, indem sie insbesondere einheitliche Rechtsordnungen für verschiedene, den internationalen Eisenbahnverkehr betreffende Rechtsbereiche aufstellt.
Rz. 4
Der OTIF-Revisionsausschuss besteht grundsätzlich aus allen Parteien des COTIF. Nach Art. 17 § 1 Buchst. a und b COTIF entscheidet er im Rahmen seiner Zuständigkeiten über Anträge auf Änderung des COTIF und prüft außerdem die Anträge, die der OTIF-Generalversammlung zur Entscheidung vorzulegen sind. Die jeweiligen Zuständigkeiten dieser beiden OTIF-Gremien für Änderungen des COTIF sind in dessen Art. 33 geregelt.
Rz. 5
Titel VI („Änderung des [COTIF])” Art. 33 („Zuständigkeiten”) des COTIF ...