Entscheidungsstichwort (Thema)
Nationale Regelung, wonach vollzeit- und teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung erst ab der gleichen Zahl geleisteter Mehrarbeitsstunden haben. Mittelbare Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Frauen
Normenkette
EG Art. 141; Richtlinie 75/117/EWG
Beteiligte
Edeltraud Elsner-Lakeberg |
Tenor
Artikel 141 EG und Artikel 1 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen sind so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, nach der teilzeitbeschäftigten – ebenso wie vollzeitbeschäftigten – Lehrkräften keine Vergütung für Mehrarbeit gewährt wird, wenn die Mehrarbeit drei Unterrichtsstunden im Kalendermonat nicht übersteigt, entgegenstehen, wenn diese Ungleichbehandlung erheblich mehr Frauen als Männer betrifft und wenn sie nicht durch ein Ziel, das nichts mit der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht zu tun hat, gerechtfertigt werden kann oder zur Erreichung des verfolgten Zieles nicht erforderlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Verwaltungsgericht Minden (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Edeltraud Elsner-Lakeberg
gegen
Land Nordrhein-Westfalen
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 141 EG und der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), der Richter A. La Pergola und S. von Bahr sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta und des Richters K. Lenaerts,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen:
- von Frau Elsner-Lakeberg, vertreten durch Rechtsanwalt H. Bubenzer,
- des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch A. Machwirth als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerrell und H. Kreppel als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Oktober 2003,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Verwaltungsgericht Minden hat mit Beschluss vom 26. Juli 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 2. August 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 141 EG und der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Elsner-Lakeberg (im Folgenden: Klägerin) und ihrem Arbeitgeber, dem Land Nordrhein-Westfalen, über die Forderung der Klägerin, eine Vergütung der von ihr geleisteten Mehrarbeit zu erhalten.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3
Artikel 1 der Richtlinie 75/117 lautet:
„Der in Artikel 119 des Vertrages genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im Folgenden als ‚Grundsatz des gleichen Entgelts’ bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen.
…”
Nationale Regelung
4
Gemäß § 78a des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 (GV.NRW.S. 234) sind die Beamten verpflichtet, Mehrarbeit zu leisten, wenn der Dienst dies erfordert. Übersteigt diese Mehrarbeit fünf Stunden im Kalendermonat, so ist dem Beamten für die geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Ist die Gewährung dieser Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können bestimmte Beamte eine Vergütung für die entsprechende Mehrarbeit erhalten.
5
§ 5 Absatz 2 Nummer 1 der Verordnung vom 13. März 1992 über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (BGBl. I S. 528) in der Fassung vom 3. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3494) bestimmt, dass bei Mehrarbeit im Schuldienst drei Unterrichtsstunden als fünf Stunden gelten.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
6
Die Klägerin steht als beamtete teilzeitbeschäftigte Studienrätin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte unterrichten dort 24,5 Stunden pro Woche, was – bei einem Durchschnitt von vier Wochen pro Monat – 98 Stunden im Monat entspricht, während die Klägerin 15 Stunden pro Woche – d. h. 60 Stunden im Monat – unterrichtet.
7
Im Dezember 1999 erbrachte sie auf Anordnung 2,5 Unterrichtsstunden Mehrarbeit. Ihr Antrag auf Vergütun...