Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Pharmazeutische Erzeugnisse. Markt für Perindopril. Kartelle. Aufteilung der Märkte. Potenzieller Wettbewerb. Bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs. Strategie zur Verzögerung des Markteintritts von Perindopril-Generika. Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits. Patentlizenzvertrag. Vereinbarung über die Übertragung und Lizenzierung von Technologie. Relevanter Markt. Missbrauch einer beherrschenden Stellung
Normenkette
AEUV Art. 101-102
Beteiligte
Tenor
1.Die Nrn. 1 bis 3 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2018, Servier u. a./Kommission (T-691/14, EU:T:2018:922), werden aufgehoben.
2.Die Sache wird zur Entscheidung über den zweiten Teil des neunten Klagegrundes betreffend die Einstufung der am 5. Januar 2007 zwischen der Les Laboratoires Servier Ltd und der KRKA, tovarna zdravil, d.d. geschlossenen Übertragungs- und Lizenzvereinbarung als bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, über den 14., den 15., den 16. und den 17. Klagegrund betreffend die in Art. 6 des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 [AEUV] und 102 [AEUV] (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]) festgestellte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und über die hilfsweise geltend gemachten Klagegründe, soweit sie sich auf die Berechnung der wegen dieser Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße beziehen, an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
3.Die Entscheidung über die Kosten bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-176/19 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. Februar 2019,
Europäische Kommission,zunächst vertreten durch F. Castilla Contreras, B. Mongin, J. Norris und C. Vollrath, dann durch F. Castilla Contreras, F. Castillo de la Torre, B. Mongin, J. Norris und C. Vollrath, schließlich durch F. Castilla Contreras, F. Castillo de la Torre, J. Norris und C. Vollrath als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
unterstützt durch:
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland,zunächst vertreten durch D. Guðmundsdóttir als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, KC, dann durch L. Baxter, D. Guðmundsdóttir, F. Shibli und J. Simpson als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, KC, und P. Woolfe, Barrister, schließlich durch S. Fuller als Bevollmächtigten im Beistand von J. Holmes, KC, und P. Woolfe, Barrister,
Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,
andere Parteien des Verfahrens:
Servier SASmit Sitz in Suresnes (Frankreich),
Servier Laboratories Ltdmit Sitz in Stoke Poges (Vereinigtes Königreich),
Les Laboratoires Servier SASmit Sitz in Suresnes,
vertreten durch O. de Juvigny, J. Jourdan, T. Reymond und A. Robert, Avocats, J. Killick, Advocaat, und M. I. F. Utges Manley, Solicitor,
Klägerinnen im ersten Rechtszug,
European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA)mit Sitz in Genf (Schweiz), vertreten durch F. Carlin, Avocate, und Rechtsanwältin N. Niejahr,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat, und R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. und 21. Oktober 2021,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Juli 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Europäische Kommission die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2018, Servier u. a./Kommission (T-691/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:922), mit dem Art. 4, soweit mit ihm die Beteiligung der Servier SAS und der Laboratoires Servier SAS an den in diesem Artikel genannten Zuwiderhandlungen festgestellt wird, Art. 6, Art. 7 Abs. 4 Buchst. b und Art. 7 Abs. 6 des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 [AEUV] und 102 [AEUV] (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]) (im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt wurden.
I.Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
In den Rn. 13 bis 15, 17 und 24 der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5) heißt es
„Die Wettbewerbskräfte
13. D[ie] Wettbewerbskräfte, denen die Unternehmen unterliegen, speisen sich hauptsächlich aus drei Quellen: Nachfragesubstitutierbarkeit, Angebotssubstituierbarkeit und potentieller Wettbewerb. Aus wirtschaftlicher Sicht – im Hinblick auf die Definition des relevanten Marktes – stellt die ...