Entscheidungsstichwort (Thema)

Patentrecht. Arzneimittel. Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel. Verordnung (EWG) Nr. 1768/92. Art. 2. Anwendungsbereich. In der Richtlinie 65/65/EWG vorgesehene Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit. Fehlen. Nichtigkeit des Zertifikats

 

Beteiligte

Synthon BV

Merz Pharma GmbH & Co. KGaA

 

Tenor

1. Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel in der Fassung aufgrund der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ist dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das als Humanarzneimittel in der Europäischen Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel in der Fassung der Richtlinie 89/341/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 konforme Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde und insbesondere ohne dass es Gegenstand der Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit war, nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung in der geänderten Fassung fällt und dementsprechend für dieses Erzeugnis kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann.

2. Ein ergänzendes Schutzzertifikat, das für ein Erzeugnis erteilt wurde, das nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2 fällt, ist nichtig.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 3. April 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Mai 2009, in dem Verfahren

Synthon BV

gegen

Merz Pharma GmbH & Co. KGaA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas und U. Lõhmus (Berichterstatter), sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Synthon BV, vertreten durch R. Williams, Barrister, und M. Herschdorfer, advocaat,
  • der Merz Pharma GmbH & Co. KGaA, vertreten durch Rechtsanwalt A. von Falck und R. Anderson, solicitor-advocate,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2, 13 und 19 der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. L 182, S. 1) in der Fassung aufgrund der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1768/92).

Rz. 2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Synthon BV (im Folgenden: Synthon) und der Merz Pharma GmbH & Co. KGaA (im Folgenden: Merz) wegen des für das Erzeugnis namens „Memantin” (im Folgenden: Memantin) erteilten ergänzenden Schutzzertifikats (im Folgenden auch: Zertifikat).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Verordnung Nr. 1768/92

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 1 bis 4 und 8 der Verordnung Nr. 1768/92 heißt es:

„Die Forschung im pharmazeutischen Bereich trägt entscheidend zur ständigen Verbesserung der Volksgesundheit bei.

Arzneimittel, vor allem solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, werden in der Gemeinschaft und in Europa nur weiterentwickelt, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.

Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes muss so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels in der Gemeinschaft eingeräumt werden.”

Rz. ...

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