Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuer auf Erstzulassung eines Kfz
Normenkette
AEUV Art. 110
Beteiligte
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Braşov |
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Braşov |
Verfahrensgang
Curtea de Apel Braşov (Rumänien) (Beschluss vom 22.06.2022; ABl. EU 2022, Nr. C 424/26) |
Tenor
1. Art. 110 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Betrag der Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, Teil des Werts dieser Fahrzeuge sein kann, so dass davon auszugehen ist, dass die Forderung gegen den Staat wegen der rechtswidrigen Erhebung dieser Steuer beim Verkauf der Fahrzeuge auf deren spätere Erwerber übertragen wird.
2. Art. 110 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der eine Steuer, die ein Mitgliedstaat unionsrechtswidrig auf Kraftfahrzeuge bei deren Erstzulassung erhoben hat, nur dem Steuerpflichtigen, der diese Steuer entrichtet hat, nicht aber einem späteren Erwerber des betreffenden Fahrzeugs erstattet werden kann, dann nicht entgegensteht, wenn der Erwerber, der durch die Steuer tatsächlich belastet ist, nach den nationalen Verfahrensmodalitäten von dem Steuerpflichtigen, der die Steuer entrichtet hat, oder gegebenenfalls, insbesondere wenn eine Erstattung durch den Steuerpflichtigen unmöglich oder übermäßig erschwert ist, von den Steuerbehörden Erstattung erlangen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Braşov [Kronstadt], Rumänien) mit Entscheidung vom 22. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2022, in dem Verfahren
KL,
PO
gegen
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Braşov
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter N. Jääskinen (Berichterstatter) und M. Gavalec,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von KL und PO, vertreten durch D. Târşia, Avocat,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch R. Antonie, E. Gane und O.-C. Ichim als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Björkland und T. Isacu de Groot als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 110 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen KL und PO als Erben von AX und der Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Braşov (Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Braşov, Rumänien, im Folgenden: Steuerverwaltung) über die Erstattung einer bei der Erstzulassung eines Fahrzeugs unionsrechtswidrig erhobenen Steuer an einen späteren Erwerber dieses Fahrzeugs.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 110 AEUV bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben.
Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen.”
Rumänisches Recht
Rz. 4
Die Ordonanţa de urgenţă a Guvernului nr. 52/2017 privind restituirea sumelor reprezentând taxa specială pentru autoturisme şi autovehicule, taxa pe poluare pentru autovehicule, taxa pentru emisiile poluante provenite de la autovehicule şi timbrul de mediu pentru autovehicule (Dringlichkeitsverordnung Nr. 52/2017 der Regierung über die Erstattung der Sondersteuer für Pkw und Kraftfahrzeuge, der Steuer auf Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen und der Umweltgebühr für Kraftfahrzeuge) vom 4. August 2017 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 644 vom 7. August 2017, im Folgenden: OUG Nr. 52/2017) regelt das Erstattungsverfahren für mehrere Kraftfahrzeugsteuern, die der Gerichtshof für unionsrechtswidrig befunden hat.
Rz. 5
Art. 1 Abs. 1 der OUG Nr. 52/2017 bestimmt:
„Steuerpflichtige, die die Sondersteuer für Pkw und Kraftfahrzeuge nach den Art. 214(1) bis 214(3) des Gesetzes Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch mit späteren Änderungen und Ergänzungen, die Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge nach der Dringlichkeitsverordnung Nr. 50/2008 der Regierung zur Einführung einer Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge, genehmigt durch das Gesetz Nr. 140/2011, die Steuer auf Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen nach dem Gesetz Nr. 9/2012 über die Steuer auf Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen mit späteren Änderungen und die Umweltgebühr für Kraftfahrzeuge nach der Dringlichkeitsverordnung Nr. 9/2013 der Regierung, mit Änderungen und Ergänzungen genehmigt durch das Gesetz Nr. 37/2014 mit späteren Änderungen und Ergänzungen, entrichtet haben und bis zum Inkrafttreten dieser Dringlichkeitsverordnung keine Erstattung erhalt...