Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesarbeitsgericht. Deutschland. In einem Drittland ansässiger Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats. Tätigkeit als Ortskraft in der Botschaft eines anderen Mitgliedstaats in diesem Drittland. Unterschiedliche Behandlung im Verhältnis zu den Ortskräften, die dem die Auslandsvertretung unterhaltenden Staat angehören. Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts. Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Freizuegigkeit. Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Räumlicher und persönlicher Geltungsbereich. In einem Drittland ansässiger Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der als Ortskraft in der Botschaft eines anderen Mitgliedstaats in diesem Drittland beschäftigt ist. Einbeziehung
Leitsatz (amtlich)
Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gemäß Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages und Artikel 7 Absätze 1 und 4 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist auf einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der ständig in einem Drittland lebt und aufgrund eines dort geschlossenen und dauernd dort erfüllten Arbeitsvertrags von einem anderen Mitgliedstaat bei dessen Botschaft in diesem Drittland beschäftigt wird, hinsichtlich aller Aspekte des Arbeitsverhältnisses anwendbar, die das Recht des den Betroffenen beschäftigenden Mitgliedstaats regelt.
Denn Artikel 227 des Vertrages, der den Geltungsbereich des Vertrages und grundsätzlich auch des abgeleiteten Rechts festlegt, schließt nicht aus, daß die Regeln des Gemeinschaftsrechts auch ausserhalb des Gemeinschaftsgebiets Wirkungen entfalten können, so insbesondere auf Arbeitsverhältnisse, die sich zwar auf eine ausserhalb des Gemeinschaftsgebiets ausgeuebte Berufstätigkeit beziehen, aber einen hinreichend engen Bezug zu diesem Gebiet behalten; dies schließt auch jene Fälle ein, in denen das Arbeitsverhältnis einen hinreichend engen Bezug zum Recht eines Mitgliedstaats und damit zu den einschlägigen Regeln des Gemeinschaftsrechts besitzt.
Normenkette
EGVtr Art. 48 Abs. 2 (jetzt Art. 39 Abs. 2 EG), Art. 227; EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 1; EWGV 1612/68 Art. 4
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gemäß Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag und Artikel 7 Absätze 1 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist auf einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der ständig in einem Drittland lebt und aufgrund eines dort geschlossenen und dauernd dort erfüllten Arbeitsvertrags von einem anderen Mitgliedstaat bei dessen Botschaft in diesem Drittland beschäftigt wird, hinsichtlich aller Aspekte des Arbeitsverhältnisses anwendbar, die das Recht des den Betroffenen beschäftigenden Mitgliedstaats regelt.
Gründe
1 Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluß vom 23. Juni 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juli 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 48 Absatz 2 EG-Vertrag und des Artikels 7 Absätze 1 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Boukhalfa (im folgenden: Klägerin) und der Bundesrepublik Deutschland.
3 Die Rechtsstellung des Personals der deutschen Auslandsvertretungen, das sich aus vom Auswärtigen Amt entsandten Beschäftigten und aus nichtentsandten Beschäftigten (Ortskräften) zusammensetzt, wird durch das Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD, BGBl. I S. 1842) geregelt. Das GAD unterscheidet zwischen deutschen und nichtdeutschen Ortskräften.
4 Die Rechtsverhältnisse der deutschen Ortskräfte richten sich gemäß § 32 GAD nach den deutschen Tarifverträgen und sonstigen Bestimmungen des deutschen Rechts. Für ihre Arbeitsbedingungen gilt insbesondere der deutsche Tarifvertrag vom 28. September 1973.
5 Nach § 33 GAD werden die Arbeitsverhältnisse nichtdeutscher Ortskräfte unter Berücksichtigung des Rechts im Gastland nach der Ortsüblichkeit gestaltet. Ferner werden danach unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse angemessene soziale Bedingungen gewährleistet.
6 Die Klägerin besitzt die belgische Staatsangehörigkeit. Sie ist seit dem 1. April 1982 bei der Deutschen Botschaft in Algier als Ortskraft in der Paßstelle beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis wurde in Algier begründet. Bereits zuvor war die Klägerin in Algerien ansässig; dort hat sie ihren ständigen Aufenthaltsort. Gemäß § 33 GAD unterliegt das Arbeitsverhältnis algerischem Recht.
7 Mit Schreiben vom 19. November 1991 verlangte die Klägerin Gleichbehandlung mit den deutschen Ortskräften, für die § 32 GAD gilt. Dieses Begehren wurde von der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt.
8 Die Klägerin erhob daraufhin Klage beim Arbeitsgericht Bonn. Zur Begründung berie...