Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Zuständigkeit des Gerichtshofs. Satzung der Europäischen Schulen. Sitzstaatabkommen von 1962. Vereinbarungen von 1957 und 1994. Gerichtsstandsklausel. Art. 10 EG. Finanzierung der Europäischen Schulen. Kosten für Mobiliar und Lehrmittel

 

Beteiligte

Kommission / Belgien

Europäische Kommission

Königreich Belgien

 

Tenor

1. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Entscheidung über die Klage der Europäischen Kommission nicht zuständig, die diese auf der Grundlage von Art. 226 EG mit der Begründung erhoben hat, dass das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus dem am 12. Oktober 1962 zwischen dem Obersten Rat der Europäischen Schule und der Regierung des Königreichs Belgien geschlossenen Sitzstaatabkommen in Verbindung mit Art. 10 EG verstoßen habe.

2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 6. April 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne und B. Eggers als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Belgien, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juni 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem am 12. Oktober 1962 zwischen dem Obersten Rat der Europäischen Schule und der Regierung des Königreichs Belgien geschlossenen Sitzstaatabkommen (im Folgenden: Sitzstaatabkommen) in Verbindung mit Art. 10 EG verstoßen hat, dass es sich weigert, die Kosten für das Mobiliar und die Lehrmittel der Europäischen Schulen zu tragen.

Rechtlicher Rahmen

Die Satzung der Europäischen Schulen

Rz. 2

Bei ihrer Gründung galten für die Europäischen Schulen zwei Vereinbarungen, nämlich die am 12. April 1957 in Luxemburg unterzeichnete Satzung der Europäischen Schule (United Nations Treaty Series, Band 443, S. 129, im Folgenden: Vereinbarung von 1957) und das am 13. April 1962 in Luxemburg unterzeichnete Protokoll über die Gründung europäischer Schulen unter Bezugnahme auf die Satzung der Europäischen Schule (United Nations Treaty Series, Band 752, S. 267, im Folgenden: Protokoll von 1962). Diese beiden Vereinbarungen wurden zwischen den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften geschlossen.

Rz. 3

Der durch Art. 7 der Vereinbarung von 1957 eingerichtete Oberste Rat der Europäischen Schule (im Folgenden: Oberster Rat) besteht gemäß Art. 8 dieser Vereinbarung aus dem oder den zuständigen Minister(n) der einzelnen Vertragsparteien. Nach Art. 9 dieser Vereinbarung hat der Oberste Rat für deren Durchführung zu sorgen und verfügt über die zu diesem Zweck erforderlichen Befugnisse auf dem Gebiet des Erziehungswesens, des Haushalts und der Verwaltung. Er stellt im gemeinsamen Einvernehmen die Allgemeine Schulordnung auf. Nach Art. 28 der Vereinbarung kann der Oberste Rat mit der Regierung des Staats, in dem sich die Schule befindet, zusätzliche Übereinkommen jeder Art schließen, um der Schule die besten materiellen und ideellen Bedingungen für ihre Tätigkeit zu geben.

Rz. 4

An die Stelle der Vereinbarung von 1957 und des Protokolls von 1962 trat die am 21. Juni 1994 in Luxemburg geschlossene Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen (ABl. L 212, S. 3, im Folgenden: Vereinbarung von 1994), wie sich aus Art. 34 dieser derzeit geltenden Vereinbarung ergibt. Die Vereinbarung von 1994 wurde zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaften geschlossen, die durch den Beschluss 94/557/EG, Euratom des Rates vom 17. Juni 1994 betreffend die Ermächtigung der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft zur Unterzeichnung und zum Abschluss der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen (ABl. L 212, S. 1) hierzu ermächtigt wurden.

Rz. 5

Gemäß Art. 34 Abs. 4 der Vereinbarung von 1994 gelten Bezugnahmen in vor Abschluss dieser Vereinbarung verabschiedeten Rechtsakten betreffend die Schulen als Bezugnahmen auf die entsprechenden Artikel dieser Vereinbarung.

Rz. 6

Die Vereinbarung gilt für die im Anhang I der Vereinbarung aufgeführten Schulen, zu denen die Europäischen Schulen Brüssel I, Brüssel II und Brüssel III sowie die Europäische Schule Mol (Belgien) zählen.

Rz. 7

Nach Art. 2 Abs. 3 der genannten Vereinbarung ist Voraussetzung für die Gründung einer neuen Schule im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, dass zwischen dem Obersten Rat und dem Aufnahmemitgliedstaat ein Abkommen über die unentgeltliche Bereitstellung von den Erfordernissen der neuen ...

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