Leitsatz
- Als "gleichartige Versorgungsverhältnisse" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV kommen in erster Linie die von dem Fernwärmeversorger in dem Versorgungsgebiet geschlossenen Fernwärmelieferungsverträge mit anderen Endabnehmern in Betracht (Fortführung von Senatsurteil v. 15.2.2006, VIII ZR 138/05, WuM 2006 S. 207).
- Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV bestimmte Preise für die Lieferung von Fernwärme unterliegen nicht der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in entsprechender Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
AVBFernwärmeV § 2 Abs. 2 Satz 2; BGB § 315
Kommentar
Der Erwerber einer Eigentumswohnung verpflichtete sich im Kaufvertrag, mit einem bestimmten Fernwärmeversorger einen Wärmelieferungsvertrag abzuschließen. In der Folgezeit beheizte der Eigentümer die Wohnung mit der vom Fernwärmeversorger bereitgestellten Wärme. Zum Abschluss eines schriftlichen Wärmelieferungsvertrags kam es nicht, weil der Eigentümer die vom Versorger verlangten Abschlagszahlungen von ca. 118 EUR/Monat für zu hoch hielt. Der in den Jahren 2002 bis 2005 entstandene Zahlungsrückstand ist Gegenstand der Klage. Diese hatte im Wesentlichen Erfolg.
1. Fernwärmelieferungsvertrag mit gleichartiger Versorgung
Entnimmt ein Eigentümer Fernwärme aus dem Leitungsnetz, kommt hierdurch ein Vertrag über die Lieferung von Fernwärme zustande. Das Entgelt für die Wärme richtet sich in diesem Fall nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV. Danach erfolgt die Versorgung "zu den für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preisen". Für die Auslegung dieser Bestimmung gilt:
- Unterhält das Versorgungsunternehmen Vertragsverhältnisse mit anderen Kunden in ausreichender Zahl, so richtet sich das Entgelt ausschließlich nach den mit diesen Kunden bestehenden Verträgen.
- Ist dies nicht der Fall, müssen ergänzend die Lieferbedingungen anderer Versorgungsunternehmen herangezogen werden.
Im Entscheidungsfall wurden ca. 400 Wohnungseigentümer vom Wärmelieferanten mit Fernwärme versorgt. Dies bildet eine ausreichende Basis für die Berechnungsweise.
2. Kontrolle des Fernwärmetarifs
Dies führt zu der Frage, ob die Preisgestaltung des Unternehmens zusätzlich der Billigkeitskontrolle unterliegt. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt § 315 BGB in Betracht. Die Vorschrift ist in jenen Fällen anwendbar, in denen zwischen den Parteien vereinbart ist, dass "die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden" soll. In diesem Fall ist "im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist". Eine unmittelbare Anwendung des § 315 BGB scheidet allerdings aus, weil es an einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien fehlt.
§ 315 BGB kann aber entsprechend auf Tarife von Unternehmen angewendet werden, die Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen, auf die der Kunde im Bedarfsfall angewiesen ist.
Anschluss- oder Benutzungszwang
Dies gilt in den Fällen des Anschluss- oder Benutzungszwangs oder bei einer Monopolstellung des Unternehmens (BGH, Urteil v. 10.10.1991, III ZR 100/90, NJW 1992 S. 171 betr. Abwasserentgelte; vgl. aber auch BGH, Urteil v. 28.3.2007, VIII ZR 144/06, NJW 2007 S. 1672 betr. Strompreiskontrolle).
Hier kommt zwar dem Fernwärmeversorger de facto eine Monopolstellung zu. Gleichwohl scheidet eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB nach Ansicht des BGH aus. Der Gesetzgeber sei bei der Schaffung der AVBFernwärmeV davon ausgegangen, dass den jeweiligen Fernwärmeunternehmen eine faktische Monopolstellung zukommt. Dennoch habe er auf eine Genehmigungspflicht für Fernwärmetarife verzichtet und die Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden für ausreichend erachtet.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 17.10.2012, VIII ZR 292/11, NJW 2013 S. 595