Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Die Verwirklichung eines Anspruchs setzt voraus, dass er entstanden, nicht wieder untergegangen und rechtlich durchsetzbar ist. Wenn ein Anspruch verjährt, ist er nicht mehr durchsetzbar. Die Verjährung bezweckt also die Beschränkung der Durchsetzbarkeit. Dies dient wiederum der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden und der Beschleunigung der klageweisen Geltendmachung von Ansprüchen. Dabei werden die Parteien und Gerichte davor geschützt, Arbeit und Zeit für Prozesse zu verwenden, deren richtige Entscheidung unter Umständen nicht mehr gewährleistet werden kann. Dies wird auch von Art. 14 GG verlangt, der eine gesetzliche Verjährungsregelung einfordert, die die Interessen des Gläubigers und des Schuldners angemessen ausgleichen soll. Durch die Sonderregelungen des Familienrechts werden auch die Verjährungsregelungen der §§ 195 ff. BGB modifiziert.
I. Verjährungshemmung § 207 Abs. 1 BGB
Bei einigen Ansprüchen des Familienrechts tritt Verjährungshemmung ein. Dies ist beispielsweise für die Ansprüche zwischen Ehegatten während der Ehe, Lebenspartnern, Eltern bzw. Stiefeltern und Kindern bis zum Ende der Minderjährigkeit, Vormund und Mündel für die Dauer der Vormundschaft, Betreutem und Betreuer, Pflegling und Pfleger nach § 207 Abs. 1 BGB der Fall. So beginnt z.B. die Verjährungsfrist für Ansprüche i.S.d. § 205 BGB (also z.B. für die dem Kind aus einem von seinem Vater verschuldeten Straßenverkehrsunfall zustehenden Ansprüche) erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes zu laufen. Durch § 207 Abs. 1 BGB soll der Familienfrieden vor Störungen durch die klageweise Geltendmachung von Ansprüchen geschützt werden. Des Weiteren soll die außergerichtliche Streitbeilegung gefördert werden. Es ist jedoch noch zu berücksichtigen, dass nach dem Schutzzweck der Norm § 207 BGB nicht nur familienrechtliche Ansprüche erfasst, sondern Ansprüche aller Art gleichgültig, ob sie auf einem Rechtsgeschäft oder einem Gesetz beruhen.
II. Verjährungsausschluss § 194 Abs. 2 BGB
Gem. § 194 Abs. 2 BGB gibt es bei Ansprüchen aus familienrechtlichen Verhältnissen, wie aus §§ 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, 1356, 1360, 1361, 1601, 1632 BGB auch einen Verjährungsausschluss. Dies ist der Fall, wenn die Ansprüche beispielsweise auf Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft gerichtet sind, etwa beim Anspruch des Ehegatten auf Herstellung der ehelichen Gemeinschaft i.S.d. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB.
Im Gegensatz zu § 207 Abs. 1 BGB erfasst § 194 Abs. 2 BGB Ansprüche gegen Dritte, die einem familienrechtlichen Verhältnis entspringen, wie etwa den Anspruch auf Kindesherausgabe gem. §§ 1632, 1800 BGB. Man sollte jedoch nicht aus § 194 Abs. 2 BGB folgern, dass eine Verjährung sinnlos wäre, da durch das fortbestehende Rechtsverhältnis immer wieder ein noch nicht verjährter Anspruch erzeugt würde. Dies kann man schon an dinglichen Rechten sehen, die unstreitig der Verjährung unterliegen und die auch nicht immer wieder von neuen Ansprüchen überholt oder abgelöst werden, obwohl das dingliche Recht bestehen bleibt.
Man sollte den Zweck der Norm auch nicht dahingehend auslegen, dass eine Störung des Familienfriedens verhindert werden soll, wie es bei § 207 BGB der Fall ist. Diese Auslegung schlägt schon deshalb fehl, weil in § 194 Abs. 2 BGB Ansprüche gegen Dritte und die Beschränkung auf Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis mit einbezogen werden.
Die Theorie vom Pflicht-Recht vermag auch keine ausreichende Begründung dafür zu liefern, den Zweck der Norm hinreichend erklären zu können. Es wird gesagt, dass familienrechtliche Ansprüche nur unselbständige Gegenstücke der zur Rechtspflicht erhobenen sittlichen Pflicht seien und, solange diese Pflicht andauert, müsste auch das derselben entsprechende Recht mit den dazu gehörigen Ansprüchen existieren und durchsetzbar sein. Diese Theorie setzt indes falsch an. Denn das Verhältnis des subjektiven Familienrechts ist das gleiche wie das Verhältnis bei sonstigen subjektiven Rechten. Die subjektiven Familienrechte wurden von der Rechtsordnung zwar nicht nur, aber auch um des Berechtigten selbst willen verliehen. Auch andere Rechtsverhältnisse werden durch die Sittlichkeit geprägt, obwohl dort nicht von Pflicht-Rechten gesprochen wird. Somit veranlasst nur der spezifische Inhalt der natürlich-sittlichen Familienverhältnisse die Rechtsordnung dazu, Familienverhältnisse dem Inhalt, der Intensität sowie dem Umfang nach wesentlich anders zu regeln als andere Rechtsverhältnisse zwischen Personen. Des Weiteren fordert die Sittlichkeit ebenfalls die Erfüllung geschlossener schuldrechtlicher Verträge, wobei die entsprechenden Ansprüche trotzdem verjähren.
Letztlich könnte der entscheidende Grund für § 194 Abs. 2 BGB darin liegen, dass die oben beschriebenen Ansprüche aus Grundrechten folgen und ihre Ausübung bloße Grundrechtsbetätigung ist, denn Grundrechte verjähren nicht.
Das Recht der Klageerhebung auf Fest...