Einführung

Die Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines "Kinderverbundes" im familiengerichtlichen Verfahren ist neu. Der Bedarf, Verfahren zu bündeln, die Kinder betreffen, ist es ebenso. Die Entwicklung überrascht zugleich nicht. Sie ist Konsequenz eines geänderten Verständnisses von Kinderrechten und Elternschaft und der dem folgenden Ausgestaltung von Rechten und Pflichten im Gesetz.

Auf dem Deutschen Juristentag[1] in Leipzig wurde in diesem Jahr in der Abteilung Familienrecht zunächst mit deutlicher Mehrheit (29:12:7) die These angenommen:

Immerhin 19 Abstimmungsberechtigte stimmten zudem der These zu:

Im Ergebnis wurde die These für einen Kinderverbund bei 24 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen zwar nicht angenommen. Die Zahl der Zustimmenden und die der Abstimmung vorangehenden Diskussionsbeiträge zeigen den Bedarf an einem Verbundverfahren aus Sicht der Betroffenen, insbesondere der Kinder, gleichwohl auf, unabhängig von den überwiegend aus der Richterschaft vernehmbaren Vorbehalten.

[1] Beschlüsse des Deutschen Juristentags 2018, veröffentlicht: https://www.djt.de/fileadmin/downloads/72/Beschluesse_gesamt_final.pdf.

1

Zitat

"Zur Erleichterung der Konfliktlösung in Familiensachen muss die Antragsschrift in Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG (elterliche Sorge und Umgang) entsprechend § 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG enthalten, ob die Eltern eine Regelung über die elterliche Sorge, den Umgang und die Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind getroffen haben."

2

Zitat

"Zur Erleichterung der Konfliktlösung in Familiensachen sind Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG (elterliche Sorge und Umgang) und Kindesunterhalt in einem § 137 FamFG entsprechenden Verbundverfahren gemeinsam zu behandeln."

I. Veränderte Rahmenbedingungen

Der Bedarf an einer zeitgleichen Behandlung von Verfahren die elterliche Sorge und den Umgang sowie den Kindesunterhalt betreffend hat verschiedene Ursachen:

Das Verständnis von Elternschaft hat sich ebenso verändert wie die sozialen Parameter für Familien. Das Diktum: "Eine betreut und einer zahlt" ist der Vorstellung von Elternschaft gewichen, die gleichberechtigt und -verpflichtet in die Verantwortung nimmt.[2] Die strikte Trennung von elterlicher Sorge, Umgang und Unterhalt stammt zudem aus einer Zeit, als nicht vorgesehen war, dass Frauen ohne Genehmigung des Ehemannes arbeiten dürfen; heute tun sie das einfach, wenn sie wollen, und zwar auch dann, wenn sie Kinder haben. Auch die Vorstellung, dass Kinder Vollzeit öffentlich-rechtlich betreut werden können und dies im Interesse des Kindes sein kann, war dem Gesetzgeber damals fremd.

Der gesellschaftliche Wandel schlug sich auch im Recht nieder: Im Jahr 1998 wurde die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Falle der Scheidung von der Ausnahme zur rechtlichen Regel und für nicht miteinander verheiratete Eltern die gemeinsame Sorgeerklärung (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) ermöglicht. 2013 folgte in einem weiteren Schritt für diese das Antragsrecht auf Übertragung der elterlichen Sorge durch das Gericht. Zu einer im Falle der Feststellung der Vaterschaft oder Anerkennung aus Sicht des Ausschusses Familienrecht im DAV[3] wünschenswerten Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge kraft Gesetzes hat der Gesetzgeber sich (noch) nicht durchgerungen.[4] Zugleich rückte das Kind, auch unter dem Einfluss der Rechtsprechung des EGMR, als Subjekt des Rechts in den Vordergrund und der Personenkreis, der ein Umgangsrecht für sich in Anspruch nehmen kann, wurde erweitert.[5] Schließlich wurde erkannt, dass erweiterte Umgangszeiten im Kontext des Unterhalts von Bedeutung sind, was zwar bislang nicht zu einer Reform des Rechts, aber zu einer Entwicklung in der Rechtsprechung[6] geführt hat.

Diese Veränderungen bleiben in der Rechtspraxis nicht ohne Wirkung und so überrascht es nicht, dass sich in den letzten Jahren Rechtsanwender vermehrt Gedanken um die Frage machen, ob das, was zusammen gehört, nicht auch zusammen verhandelt werden sollte:

Die AG Familienrecht im Deutschen Anwaltverein hat im Jahr 2015 unter ihren Mitgliedern eine Umfrage u.a. zum Thema "Betreuungsmodelle in der Praxis" durchgeführt.[7] Dabei gaben rund 41 % der Befragten an, dass das Wechselmodell als Betreuungsform von Mandanten oft oder häufig angestrebt werde. Knapp 70 % der Befragten hielten es für zweckmäßig, Unterhaltsfragen verfahrensrechtlich im Kontext der Betreuung mit zu regeln.

Auch bei Gerichten werden die Veränderungen mit ihren Konsequenzen wahrgenommen. Mayer, Richter am Amtsgericht, zeigt den Bedarf an Verbindung der Kinder betreffenden Verfahren in einem "Plädoyer" auf:[8] Danach soll das Wohlergehen des Kindes als Ganzes gesehen und nicht in einen finanziellen und persönlichen Bereich aufgeteilt werden. Als Lösungsmöglichkeit stellt er die Installation eines Kinderverbundes nach dem Vorbild des Scheidungsverbundes zur Diskussion oder aber zumindest eine an § 133 Nr. 2 FamFG angelehnte Regelung, die das Gericht mit Informationen versieht, aus denen Handlungsbedarf erkannt und dem durch richterlichen H...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?