Einführung
Unterzieht man das geltende Versorgungsausgleichsrecht anhand einzelner ausgewählter Aspekte einer eher kursorischen kritischen Betrachtung und berücksichtigt man den in den zurückliegenden Jahrzenten im Umfeld dieses Rechtsbereichs eingetretenen gesellschaftlichen und sozialen Wandel, drängt sich fast unvermeidlich die Frage auf, ob der Versorgungsausgleich dauerhaft erhalten bleiben sollte.
I. Zum Versorgungsausgleichsrecht
1. Vorgeschichte
Der Versorgungsausgleich gehört seit der zum 1.7.1977 in Kraft getretenen Eherechtsreform zu den finanziellen Folgen der Ehescheidung (früher: §§ 1587 ff. BGB a.F., seit 1.9.2009: Gesetz über den Versorgungsausgleich (VersAusglG)). Das Rechtsinstitut Versorgungsausgleich geht vor allem auf Forderungen der Frauenbewegung in den 1960er Jahren zurück. Erste Gedanken finden sich als Folge eines Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 8.11.1967 in einem Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) aus dem Jahr 1970 und in einem Referentenentwurf aus dem Jahr 1971.
2. Grundgedanken
Der Versorgungsausgleich bezweckt die gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechten im Alter und bei Invalidität. Er hat grundsätzlich die hälftige Teilung der ehezeitbezogenen Versorgungsanrechte zum Inhalt, unabhängig davon, ob diese Anwartschaften von nur einem oder von beiden Ehegatten erwirtschaftet worden sind. Dem Ehegatten mit den wertniedrigeren Anrechten wird so frühzeitig eine eigenständige soziale Sicherung verschafft. Die frühere sog. Geschiedenen-Witwenrente wurde aufgegeben. Die "sozialrechtliche Sicherung der nicht erwerbstätigen Frau" stand so im Mittelpunkt, dass eine der ersten erläuternden Abhandlungen zum neuen Versorgungsausgleich sogleich mit diesem Thema beginnt. Diese Akzentuierung verkennt, dass es sich bei dem Versorgungsausgleich zunächst einmal lediglich um ein (damals neues) familienrechtliches Ausgleichssystem handelt.
Der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht begreifen die während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte der Ehegatten als das Ergebnis einer gemeinsamen und gleichwertigen Lebensleistung. Der BGH stellt die Mitversorgungsidee heraus, nach der mit dem Versorgungsausgleich sichergestellt werden soll, dass die während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte auch nach der Scheidung der gemeinsamen Unterhaltssicherung im Alter und bei Invalidität dienen. Bei beiden Betrachtungen handelt es sich um Fiktionen, die näherer Prüfung kaum standhalten, sodass sich der Versorgungsausgleich "in einer Zone diffuser Legitimation" bewegt.
Das Bundesverfassungsgericht hat den (ursprünglichen) Versorgungsausgleich grundsätzlich für verfassungskonform und nur einzelne Detailregelungen für verfassungswidrig erklärt. Die daraufhin geschaffenen "Reparaturgesetze" haben die verfassungsrechtlichen Mängel beheben sollen. Das ist jedoch nur unvollständig gelungen.
3. Neuere Entwicklung
Der Gesetzgeber hat sich schließlich bemüht, die Mängel durch eine Strukturreform des Versorgungsausgleichs zu überwinden. Unter Berücksichtigung von Vorschlägen einer Experten-Kommission aus dem Jahr 2004 legte das BMJ im Jahr 2007 einen Diskussionsentwurf vor, der zu dem (neuen) Gesetz über den Versorgungsausgleich vom 3.4.2009 (VersAusglG, BGBI. I S. 700) führte. Das neue Gesetz will den Grundsatz der Halbteilung der in der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte (§ 1 VersAusglG), der bisher in vielen Fällen verfehlt wurde, in der Weise verwirklichen, dass grundsätzlich jedes einzelne Anrecht zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen ist, wodurch die Notwendigkeit entfalle, Versorgungsanrechte unterschiedlicher Qualität miteinander zu vergleichen. Diese neue Konzeption ist von manchen als "Königsweg" bezeichnet worden. Andere haben sie von Anfang an kritischer gesehen und als "nicht aus einem Guss" empfunden.