BGH, Beschl. v. 10. 1.2024 – XII ZB 510/23
Der verfahrenskostenhilfebedürftige Rechtsmittelführer ist auch dann unverschuldet an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels gehindert, wenn er ein wegen bestehenden Anwaltszwangs unzulässiges persönliches Rechtsmittel eingelegt und dafür Verfahrenskostenhilfe beantragt hat. Das Rechtsmittelgericht hat auch in diesem Fall zunächst über die beantragte Verfahrenskostenhilfe zu entscheiden, bevor es das Rechtsmittel als unzulässig verwirft (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 4. 11.2015 – XII ZB 289/15 – FamRZ 2016, 209).
BGH, Beschl. v. 13.12.2023 – XII ZB 550/21
a) In einem Verfahren mit Anwaltszwang muss ein Beteiligter alles ihm Mögliche und Zumutbare unternehmen, um das Gericht rechtzeitig vor Erlass eines zweiten Versäumnisbeschlusses darüber zu informieren, dass er keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat (Fortführung von BGH Urt. v. 24.9.2015 – IX ZR 207/14, NJW-RR 2016, 60; v. 25.11.2008 – VI ZR 317/07, NJW 2009, 687; v. 22.3.2007 – IX ZR 100/06, NJW 2007, 2047 und v. 3.11.2005 – I ZR 53/05, NJW 2006, 448).
b) In einem Verfahren mit Anwaltszwang zwingt die Erkrankung eines Beteiligten das Gericht nicht zu einer Terminsverlegung, wenn nicht gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit des Beteiligten erfordern. Der Beteiligte hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen (Anschluss an BGH Urt. v. 14.9.2023 – IX ZR 219/22, juris).
OLG Hamm, Beschl. v. 17.10.2023 – 4 UF 89/23
Die unterbliebene Einholung eines von Amts wegen einzuholenden Sachverständigengutachtens stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel als Ausfluss der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG dar und begründet einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S.d. § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG.
OLG Bamberg, Beschl. v. 7.8.2023 – 7 WF 153/23
1. Ein Fall des § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG stets dann vor, wenn in der ersten Instanz ein notwendig zu Beteiligender nicht beteiligt wurde.
2. Für das betroffene Kind ist gemäß § 158 Abs. 3 Nr. 1 FamFG ein Verfahrensbeistand zu bestellen, wenn das Interesse des Kindes in erheblichem Gegensatz zu dem Interesse seiner gesetzlichen Vertreter steht.
3. Steuerrechtliche Angelegenheiten der Eltern – wie hier die steuerrechtliche Anerkennung der Übertragung einer Photovoltaikanlage an den 12-jährigen Sohn – sind für das Kind regelmäßig nicht von Belang und damit auch nicht Maßstab für eigene Entscheidungen.
4. Dass sich für das Kind später ein Rechtsanwalt anzeigt, lässt die Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht entfallen. Denn weil ein Rechtsanwalt Willensvertreter ist, besteht die Gefahr, dass er bei Beauftragung durch die Eltern nicht zuallererst das Kindeswohl im Blick hat, sondern als weisungsgebundener Interessensvertreter seiner Mandanten vorrangig deren Willen.