Das Echo auf dieses Gesetz ist sehr unterschiedlich. Den einen zufolge bietet das Gesetz Chancen und Hoffnung für eine verbesserte Kooperation sowie für ein Verfahren, das stärker am Kindeswohl orientiert ist. Anderen zufolge bringt das Gesetz, gemessen an seinem fulminanten Namen, nur wenig an inhaltlichen Neuerungen, so dass die Feststellung bleibt: "Im Kinderschutz wenig Neues" – anders, mit Shakespeare formuliert: "viel Lärm um nichts".
Jene, die dem KiWoMaG keine große Bedeutung zumessen, haben vor allem die Änderungen des § 1666 BGB vor Augen. In der Neufassung dieser Vorschrift entfallen in Absatz 1 die Worte "durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten." Ob dieses Wegfalls sind für Maßnahmen nach § 1666 BGB nur noch zwei Voraussetzungen erforderlich:
- Das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes wird gefährdet.
- Die Eltern sind nicht gewillt oder nicht in der Lage, diese Gefahr abzuwenden.
In der Tat ist § 1666 BGB durch diese Änderung einfacher und schlanker gefasst worden. Unter dem Strich hat sich hierdurch aber nicht viel geändert. Einmal haben die jetzt gestrichenen Voraussetzungen, auch Hürden genannt, in der Praxis keine allzu große Bedeutung gehabt, weil die Praxis weitgehend auf die dritte Variante (elterliches Versagen) abstellte, die eindeutig kein Verschulden verlangte und relativ leicht bejaht werden konnte. Zum anderen ist das, was früher zu diesen jetzt weggefallenen Hürden einzubringen war, nunmehr an anderer Stelle zu erörtern, nämlich im Rahmen der zwei gebliebenen Voraussetzungen, die heute erfüllt sein müssen. Aber auch bei Bestimmung der geeigneten Maßnahmen ist es unerlässlich, auf die Ursachen der Kindeswohlgefährdung einzugehen.
Absatz 3 in seiner jetzigen Fassung nennt beispielhaft, also nicht abschließend ("insbesondere") die wichtigsten Maßnahmen, die im Rahmen des § 1666 BGB in Betracht kommen. Die aufgelisteten Maßnahmen sind aber keineswegs neu. Sie gehörten auch schon vor dem KiWoMaG zum "Handlungsbesteck" des Familiengerichts. Allerdings ist die Fülle der Möglichkeiten in der Praxis nicht hinreichend genutzt worden – weder vom Jugendamt, das sie anregen konnte, noch vom Familiengericht, das Maßnahmen beschlossen hat. Um die volle Nutzung des schon immer gegebenen Spielraums "anzuheizen", hat der Gesetzgeber nunmehr die Bandbreite der Möglichkeiten in Absatz 3 beispielhaft eingestellt.
Wenn Kinder in den letzten Jahren zunehmend aus Familien weggenommen wurden, so beruht dies entgegen mancher Stimme in den Medien (jedoch nicht der Fachpresse!) nicht auf der Novellierung des § 1666 BGB. Die Gründe liegen anderswo. Die Jugendämter, von den Medien vielfach unter Druck gesetzt, mögen dazu neigen, auf Nummer sicher zu gehen, und daher vermehrt Kinder in Obhut nehmen und Wegnahme-Anträge nach § 1666 BGB stellen. Auch die Familiengerichte, den wandernden schwarzen Peter ebenfalls fürchtend, mögen dazu neigen, mehr als bisher Wegnahmen nach § 1666 BGB zu beschließen. Diese Tendenz ist aber schon vor Inkrafttreten des KiWoMaG zu beobachten und kann daher nicht einfach mit der Novellierung des § 1666 BGB erklärt werden.
Wer die (noch nicht evaluierten) Auswirkungen des KiWoMaG voraussehen will, darf die Änderungen zu § 1666 BGB jedoch nicht isoliert sehen. Sie sind vielmehr im Zusammenhang zu sehen mit den teilweise durch das KiWoMaG vorweggenommenen Reformen des FamFG, insbesondere mit den §§ 50a, e und f FGG und dem neu gefassten § 1696 Abs. 3 BGB. Ferner ist der Zusammenhang mit § 8a SGB VIII zu sehen, der durch das sogen. KICK v. 8.9.2005 eingefügt worden ist und den Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe konkretisiert.
In ihrer Gesamtheit sollen diese Änderungen bewirken: Die Jugendämter rufen die Familiengerichte früher an, und die Familiengerichte greifen früher ein. Auf diese Weise soll die Kindeswohlgefährdung so früh und so effektiv wie möglich verhindert werden. Zugleich will der Gesetzgeber mit der Gesamtheit der neuen Normen die Verantwortungsbereiche von Jugendamt und Familiengericht miteinander "verschränken", ja eine Verantwortungsgemeinschaft zwischen ihnen herstellen.