Mathias Grandel
Ich hatte mir ursprünglich überlegt, dieses Editorial als Quiz auszugestalten. Die Fragestellung lautet: Wann endet die Zwei-Wochen-Frist des § 137 Abs. 2 FamFG, wenn die mündliche Verhandlung am Dienstag, 22.3.2011 stattfindet? Hauptpreis: Ein Mittagessen mit Klaus Schnitzler.
Meine persönliche Lösung des Rätsels lautet: Die Frist des § 137 Abs. 2 FamFG ist eine Ereignisfrist im Sinne des kraft Verweisung anwendbaren § 187 Abs. 1 BGB. Die Vorschriften der §§ 187 ff. BGB regeln den Fall der Vorwärtsberechnung. § 137 Abs. 2 FamFG fordert dagegen eine Rückwärtsberechnung. Nach fast einhelliger Auffassung sind dafür die §§ 187 ff. BGB analog anzuwenden. Das Ende der Frist ist ein Ereignis (Tag der mündlichen Verhandlung). Dieser Tag (Dienstag, 22.3.2011) wird bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet. Die Frist beginnt rückwärts, daher am Vortag (Montag, 21.3.2011) als erster Tag der Frist. Unter Anwendung des uns Familienanwälten eigenen 10-Finger-Abzählsystems ist der erste Tag der Rückwärtsfrist der 21.3.2011 und der 14. Tag somit Dienstag, der 8.3.2011. Das ist nach § 188 Abs. 2 BGB auch der Tag, der durch seine Benennung (Dienstag) dem Tag entspricht, in dem das Ereignis (mündliche Verhandlung = Dienstag) fällt. § 188 Abs. 2 BGB bestimmt den Ablauf (24.00 Uhr) dieses Tages als Fristende.
Wäre das auch Ihre Lösung gewesen? Ich wäre beruhigt, wenn ich nicht alleine dastünde. Denn nun kommt das fristenrechtliche Überraschungsei.
Unsere Kanzlei hatte am 8.3.2011 eine Folgesache Zugewinn anhängig gemacht. Die mündliche Verhandlung in der Scheidungssache war auf den 22.3.2011 anberaumt. Das Familiengericht schrieb lapidar zurück, der Antrag sei unzulässig, weil verspätet eingereicht. Eine telefonische Nachfrage ergab, dass ein Familienrichter des Gerichts ein "Grundsatzurteil" dazu gefunden habe, an dem sich die Richter dieses Gerichts orientieren würden. Die Frist sei in unserem Fall schon am 7.3.2011 abgelaufen. Bei der Grundsatzentscheidung handele es sich um das Urteil des OLG Hamm vom 14.1.2008 – 8 U 61/07. Dieses Grundsatzurteil ist so grundlegend, dass es außer bei Juris nirgends veröffentlicht worden zu sein scheint. Tatsächlich kommt das OLG Hamm ohne jede Begründung, nur mit einem Verweis auf Krause, NJW 1999, 1448 f., zum Ergebnis, dass die Frist nicht um 24.00 Uhr des letzten Tages abläuft, sondern schon zu Beginn des letzten Tages, also am 8.3.2011, 0.00 Uhr (= 7.3.2011, 24.00 Uhr). Liest man dazu den Beitrag von Krause nach, so soll das deshalb der Fall sein, weil bei der Rückwärtsberechnung "spiegelbildlich zur gewohnten Fristberechnung" zu verfahren sei. Daher komme es nicht auf den Ablauf, sondern auf den Beginn des letzten Fristtages der Rückwärtsrechnung an. Diese Argumentation ist vor allem "spiegelbildlich" zum Wortlaut des § 188 Abs. 2 BGB, in dem eindeutig vom Ablauf des letzten Tages der Frist die Rede ist und nicht von dessen Beginn. Es widerspricht auch der Logik, dass eine Frist bei Rückrechnung um einen Tag länger sein soll als bei einer Vorwärtsberechnung. Denn es dürfte Einigkeit bestehen, dass eine Zwei-Wochen-Frist ab einem Zustellungsdatum 8.3. eben am 22.3. 24.00 h endet, nicht früher und nicht später. Warum soll bei einer Rückrechnung ein anderes Ergebnis herauskommen?
Ich bin froh, dass ich mich mit meiner Berechnung auf BSG RdL 1988, 20 f., LG München AG 2009, 296 ff. und Hoppenz, FPR 2011, 23, 24 stützen kann, wenngleich man fundierte Kommentierungen zur Rückrechnung von Fristen nicht ohne Weiteres auffindet.
Bevor sich andere Familiengerichte der merkwürdigen Berechnung des OLG Hamm anschließen, wäre es hilfreich, wenn die Oberlandesgerichte diesem Spuk ein Ende machen würden. Aber bitte einheitlich, damit der Anwalt bei § 137 Abs. 2 FamFG aus einer 14-Tages-Frist nicht aus Vorsichtsgründen eine 15-Tages-Frist machen muss!