Einführung
Der Beitrag stellt die überarbeitete Fassung des Vortrags "Stolperfallen im Verfahrensrecht" dar, vorgetragen am 30.9.2022 auf der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins in Leipzig.
A. Verfahrenskostenhilfe
Verfahrenskostenhilfe (VKH) ist im Familienrecht von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere in Unterhaltssachen; häufig wird der bedürftige Unterhaltsgläubiger die Kosten, die zur Durchsetzung von Unterhalt erforderlich sind, nicht aufbringen können.
Stolperfalle:
Vor einem Antrag auf VKH ist vorrangig ein Verfahrenskostenvorschussanspruch (VKV-Anspruch) zu prüfen. Denn bei einem durchsetzbaren VKV-Anspruch fehlt dem Antragsteller wegen insoweit vorhandenen Vermögens die Bedürftigkeit (§ 115 Abs. 3 ZPO). Der VKV-Anspruch verdrängt daher die VKH, falls der Anspruch realisierbar ist, d.h. unzweifelhaft besteht und kurzfristig durchsetzbar ist. Ein VKV-Anspruch ist nicht kurzfristig durchsetzbar, wenn der Antragsteller keine Kenntnis über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners hat. Stellt der Antragsteller daher einen Unterhaltsstufenantrag (weil ihm außergerichtlich keine Auskunft über das Einkommen und Vermögen entsprechend § 1605 BGB erteilt wurde), so kann er nicht darauf verwiesen werden, zuvor VKV einzufordern, sondern es ist ihm VKH zu bewilligen.
Wird bereits Trennungsunterhalt gezahlt, der nach Quoten bemessen wurde, scheidet ein Anspruch des anderen Ehegatten auf einen Verfahrenskostenvorschuss in der Regel aus, weil dies dem Halbteilungsgrundsatz widersprechen würde. Eine Ausnahme dazu kommt nur in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige über sehr hohe Einkünfte, über zusätzliche nicht prägende Einkünfte oder über Vermögen verfügen würde, welche er in zumutbarer Weise für die Verfahrenskosten einsetzen könnte.
Wird Trennungsunterhalt als Quotenunterhalt noch nicht laufend gezahlt, kommt hingegen ein der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entgegenstehender Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss in Betracht, sofern der angemessene Selbstbehalt des Beteiligten nicht beeinträchtigt wird. In diesem Falle ist der geleistete Verfahrenskostenvorschuss zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes vorab – auf einen angemessenen Zeitraum verteilt – zur Bestimmung des Trennungsunterhalts vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen.
B. Kindschaftssachen
I. Wechselmodell
Immer wieder wird im Verfahren der elterlichen Sorge (Aufenthaltsbestimmungsrecht) das Wechselmodell beantragt.
Stolperfalle:
Das Wechselmodell ist verfahrensrechtlich im Umgangsverfahren (und nicht in einem Sorgerechtsverfahren) zu beantragen. Bei Sorge- und Umgangsrecht handelt es sich nach der gesetzlichen Systematik um eigenständige Verfahrensgegenstände. Wird der Antrag im falschen Verfahren gestellt, so ist er jedenfalls in der Beschwerdeinstanz abzuweisen; eine Antragsänderung kommt im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Betracht, da ansonsten eine Instanz verloren gehen würde. Nach Auffassung des BGH kann auch die Abänderung eines in einem Umgangsrechtsverfahren vereinbarten Wechselmodells nur in einem solchen Verfahren und nicht in einem Sorgerechtsverfahren erreicht werden.
Nach anderer Auffassung vermag das Umgangsrecht nicht, das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, einzuschränken; das Umgangsrecht müsse daher seine Grenze dort finden, wo seine Ausübung zur Veränderung oder Aufhebung des Lebensmittelpunkts des Kindes führen würde.
Dagegen spricht jedoch, dass der Umfang der gerichtlichen Regelung des Umgangs allein eine quantitative Frage ist. Der Gesetzgeber hat bei einer Vermehrung oder Verminderung der Betreuungszeiten um einige Stunden keine unterschiedlichen Einordnungen oder gar einen Wechsel der Verfahrensarten gewollt.
Rechtspolitisch ist die Frage zu stellen, ob die scharfe verfahrensrechtliche Trennlinie des § 151 FamFG zwischen elterlicher Sorge (§ 151 Nr. 1 FamFG), Umgangsrecht (§ 151 Nr. 2 FamFG) und Kindesherausgabe (§ 151 Nr. 3 FamFG) nicht aufgehoben werden sollte im Sinne eines einheitlichen Verfahrens der Elternverantwortung.
II. Anträge im Umgangsverfahren
Vielfach wird in Umgangsverfahren sehr konkret beantragt, wie der Umgang stattfinden soll (Wochenendregelungen, Ferienregelungen, Feiertagsregelungen, Geburtstagsregelungen). Nur in seltenen Fällen wird dies in Gerichtsterminen aber unverändert übernommen, sodass seitens des Gerichts eine Antragsrücknahme (= Stolper- bzw. unter Umständen Kostenfalle) angeregt werden könnte.
Der betreffende "Antrag" ist im Grunde verfahrensrechtlich nur eine Anregung. Letztlich soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass ein ...