Darüber, wie in einer Kindschaftssache die Beweisfragen im Beweisbeschluss zu formulieren sind, besteht in der Literatur keine Einigkeit. Einerseits wird die Auffassung vertreten, die Beweisfragen seien so konkret wie möglich zu formulieren. Dies ermögliche dem Familienrichter, den Sachverständigen anzuleiten und zu prüfen, ob eine bestimmte Berufsgruppe für den speziellen Fall überhaupt sachverständig ist. Ein konkret gefasster Beweisbeschluss ermögliche es dem Familienrichter, sich darüber klar zu werden, welche konkrete Hilfe er vom Sachverständigen benötigt. Andererseits wird die Meinung vertreten, eine konkret formulierte Beweisfrage enge den Sachverständigen zu sehr ein; entscheidungserhebliche Tatsachen würden oft erst im Laufe der Begutachtung erkennbar. In der familiengerichtlichen Praxis dürften eher allgemein gehaltene, manchmal ganz pauschale Beweisbeschlüsse die Regel sein.
Die Bedeutung der Formulierung der Beweisfrage kann nicht überschätzt werden. Der Beweisbeschluss ist die Weichenstellung, er bildet die Schnittstelle zur Einbindung des besonderen fachlichen Sachverstandes eines Externen in die gerichtliche Entscheidung. Seine genaue Fassung entscheidet nicht nur darüber, ob der (fachlich berufene) Sachverständige mit dem richtigen Thema befasst wird. Schon der Beweisbeschluss bildet regelmäßig ein Indiz dafür, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Gericht sich nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens in der vom BVerfG verlangten Intensität und Qualität mit dem Gutachten auseinandersetzen wird. Denn die Gerichte – so das BVerfG – müssen die Feststellungen des Sachverständigen eigenständig auf ihre rechtliche Relevanz hin auswerten. Die Erfahrung zeigt, dass mit einem pauschalen Beweisbeschluss häufig die ebenso pauschale und knappe Feststellung in der Endentscheidung korreliert, das Gericht folge den Empfehlungen des überzeugenden und in sich schlüssigen Sachverständigengutachtens.
Der Formulierung der Beweisfrage(n) im Beweisbeschluss kommt deshalb so große Bedeutung zu, weil mit ihr präjudiziert wird, ob das Gericht die gemäß Art. 92 GG ihm anvertraute und deshalb nur von ihm zu treffende Entscheidung (teilweise) aus der Hand gibt. Mitunter entsteht der Eindruck, dass in Kindschaftssachen mit dem Beweisbeschluss zu einem bestimmten Zeitpunkt des Verfahrens eine Art Outsourcing der Entscheidung vom Gericht an den Sachverständigen stattfindet.
Zur Verdeutlichung ein – zugegebenermaßen etwas plakativer – Rückgriff auf das juristische Differenzierungsniveau des Zivilprozessrechts: Es ist eine Selbstverständlichkeit und findet sich in der Ausbildungsliteratur, dass gedanklich und in der Folge auch in der sprachlichen Darstellung sehr feinsinnig differenziert werden muss. Im Urteilstatbestand ist nicht etwa zu formulieren "Der Beklagte trägt vor, er sei beim Abschluss des Kaufvertrages volltrunken gewesen, weshalb der Kaufvertrag unwirksam sei". Vielmehr muss es heißen "Der Beklagte meint, der Kaufvertrag sei unwirksam. Hierzu behauptet er, er habe dem Erwerb des Pkw in volltrunkenem Zustand zugestimmt". Und selbstverständlich würde ein Beweisbeschluss in einem solchen Fall nicht lauten "Es soll Beweis erhoben werden über die Unwirksamkeit des Kaufvertrages".
Es gibt verfassungsrechtlich keinen Grund, im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere des Kindschaftsrechts weniger präzise und gedanklich weniger diszipliniert zu sein. Wofür im Einzelnen, für welche Feststellungen braucht das Gericht besondere Sachkunde und – soweit es über diese nicht selbst verfügt – sachverständiges Wissen? Welchen Sachverstand welcher Profession hat das Gericht nicht selbst? Und die Komplementärfrage: Wo geht es um Sachverstand, den das Gericht selbst hat und von Verfassungs wegen haben muss, nämlich rechtlichen Sachverstand? Deshalb muss auch bei einer Beweiserhebung durch Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens in Kindschaftssachen streng danach zergliedert werden, was Tatsachenfeststellung und was rechtliche Entscheidung ist. Psychologische Sachverständige rechtliche Fragen (mit-)beantworten zu lassen, rechtliche Entscheidungen (mit-)treffen zu lassen, ist von Verfassungs wegen genauso unzulässig, wie es umgekehrt unzulässig ist, als Gericht (soweit dieses nichts ausnahmsweise über einschlägigen Sachverstand verfügt) psychologische Aussagen und Feststellungen zu treffen. Dabei dürfte in der Praxis das Bewusstsein für die richterliche Grenzüberschreitung stärker ausgeprägt sein als das Bewusstsein für die richterliche Grenzunterschreitung. Wenn das eine der gängigen Kindeswohlkriterien für die Mutter, das andere für den Vater spricht (z.B. Förderungskompetenz versus Geschwisterbindung) und wenn es für den Sachverständigen kein wissenschaftlich begründbares vergleichendes Bewerten der beiden Kriterien gibt, muss das Gericht die Wertung vornehmen. Der Richter darf nicht psychologisch dilettieren. Der Psychologe darf nicht rechtlich dilettieren. Die Subsumt...