Zum Umgangsrecht sind im Jahr 2022 viele interessante Entscheidungen ergangen – sowohl materiell-rechtlicher, als auch verfahrensrechtlicher Art. Eine Entscheidung mit großer praktischer Konsequenz stammt vom BVerfG. Der Kindesvater der drei Kinder lehnte Umgang mit diesen ab. Die Kindesmutter beantragte daraufhin die gerichtliche Regelung von Umgang. Diesem Antrag hat das AG entsprochen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das OLG Köln zurück und ergänzte den Hinweis nach § 89 FamFG. Hiergegen richtete sich die Verfassungsbeschwerde des Kindesvaters, der sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt sah. Die Kammer nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Sowohl die gerichtliche Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit dem Kind als auch – und das ist der interessante Teil der Entscheidung – der Hinweis nach § 89 FamFG stellten keinen rechtswidrigen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar. Zwar sei nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zur alten Gesetzeslage die Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht regelmäßig nicht geeignet, den mit ihr verfolgten legitimen Zweck – dem Kind Umgang mit einem Elternteil zu ermöglichen – zu erreichen und daher verfassungsrechtlich regelmäßig nicht gerechtfertigt gewesen. Mit der neuen Gesetzeslage fehle die Zwangswirkung eines Hinweises auf Ordnungsmittel; es stehe dem Gericht vielmehr frei, ob es Ordnungsmittel bei einer Zuwiderhandlung gegen einen Titel verhängen wolle. Entsprechend setze die Vollstreckung gegen den umgangsunwilligen Elternteil im Rahmen des Anordnungsermessens die Prüfung des Gerichts voraus, ob auch der durch Vollstreckung erzwungene Umgang im konkreten Fall dem Kindeswohl dient. Für die Praxis bedeutet dies, dass, da im Rahmen des § 1684 BGB ein Umgangsantrag – bis auf Ausnahmefälle – nicht einfach zurückgewiesen werden darf, zukünftig Umgang in den meisten Fällen auch bei einem umgangsunwilligen Elternteil zu regeln sein wird, soweit dies nicht zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde. Die Folgen erzwungenen Umgangs für das Kind sind damit einmal im Erkenntnis- und einmal im Vollstreckungsverfahren zu prüfen. Weiter dürfte mit dem BVerfG danach zu differenzieren sein, ob der umgangsverpflichtete Elternteil Umgang komplett ablehnt oder nur die kindeswohldienliche Form des Umgangs. Das Absehen von einer Umgangsregelung dürfte somit nur noch ausnahmsweise in Betracht kommen.
Am Ende des Jahres 2022 hat das BVerfG in einer begründeten Nichtannahmeentscheidung nochmals Stellung genommen zu den Anforderungen an einen längerfristigen Umgangsausschluss i.S.v. § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB. In Erinnerung zu rufen ist hier die Differenzierung danach, ob das Kind zugleich fremd untergebracht ist (dann der strenge Prüfungsmaßstab nach Art. 6 Abs. 3 GG und damit sehr enge Voraussetzungen für einen Umgangsausschluss) oder ob das Kind bei einem Elternteil lebt (dann Art. 6 Abs. 2 GG). Vorliegend lebte das Kind seit 2019 in einer Pflegefamilie und unterzog sich seit April 2022 einer Traumatherapie. Während das Amtsgericht einen wöchentlichen begleiteten Umgang regelte, schloss das OLG nach Anhörung der behandelnden Psychologin als sachverständige Zeugin den Umgang bis September 2024 aus, da von Umgängen die Gefahr der Retraumatisierung ausgehe. Das OLG habe, so das BVerfG, durch die Stellungnahme der sachverständigen Zeugin über aussagekräftige und belastbare Nachweise für eine Traumatisierung des Kindes im elterlichen Haushalt und für eine konkrete Gefährdung des Kindes bei jedweden Umgangskontakten mit den Eltern während der Traumatherapie verfügt. Durch die Stellungnahmen von Verfahrensbeistand und Jugendamt sowie dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Kindes habe es über weitere Erkenntnisquellen verfügt, um das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung beurteilen können. Damit habe dem OLG eine dem strengen Prüfungsmaßstab genügende hinreichende Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zur Verfügung gestanden.
Die Auswirkungen häuslicher Gewalt auf Umgangsverfahren war 2022 mehrfach Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen. Der 1. Familiensenat des OLG Frankfurt wies die Beschwerde eines Kindesvaters gegen einen einmal bis zur Volljährigkeit beschlossenen Ausschluss des Umgangs bzgl. des älteren Jugendlichen zurück und weitete den Umgangsausschluss bzgl. des jüngeren Kindes um zwei Jahre aus. Ein gegen den kongruent und nachvollziehbar geäußerten Willen der Kinder erzwungener Umgang stelle angesichts des Umstandes, dass die Kinder sowohl selber Opfer als auch Zeugen häuslicher Gewalt geworden seien, eine erhebliche und konkrete Gefährdung des Kindeswohls dar. Der Senat hielt auch einen Umgangsausschluss bis zur Volljährigkeit für verhältnismäßig, da vorliegend besondere Umstände vorlägen, die einer Befristung des Umgangsausschlusses entgegenständen.
Während das KG das Umgangsrecht des gegenüber der Kindesmutter gewalttätigen Ki...