Mit der Feststellung, dass unter Zugrundelegung der Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 GG und der Art. 8 Abs. 1, 14 EMRK das Kindeswohl den Ausschlag für die Beteiligung des Vaters an der elterlichen Sorge geben muss, sofern die gemeinsame Sorge nicht durch Sorgeerklärungen beider Eltern begründet wird, ist jedoch die Frage nach dem Kindeswohlmaßstab noch nicht beantwortet. Am weitesten gehend wäre eine Regelung, die in allen Fällen unterhalb der Kindeswohlgefährdungsschwelle zu einer Begründung des gemeinsamen Sorgerechts führt, so dass der Richter bei einem Antrag des Vaters die gemeinsame Sorge nur dann verweigern könnte, wenn die gemeinsame Sorge zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen würde. Eine solche Regelung wäre – ebenso wie ein gemeinsames Sorgerecht der nicht verheirateten Eltern kraft Gesetzes von Geburt an bzw. ab dem Zeitpunkt feststehender Vaterschaft – verfassungsrechtlich zulässig. Verfassungsrechtlich geboten wäre sie indessen nicht, denn im Elternkonflikt unterhalb der Kindeswohlgefährdungsschwelle tritt der Staat nicht in seiner Funktion als Wächter, sondern als Schlichter des Elternkonflikts auf: Das Kindeswohl dient dann als Maßstab für die Entscheidung zwischen den streitigen Positionen der Eltern (hier: Alleinsorge der Mutter einerseits und gemeinsame Sorge beider Eltern auf Antrag des Vaters andererseits), wobei die staatliche Entscheidung im Hinblick auf das Kindeswohl nur die relativ beste Lösung darstellen muss.
Im Verhältnis der Alternativen "mütterliche Alleinsorge" einerseits und "gemeinsame Sorge beider Eltern" andererseits sind zwei weitere Aspekte zu beachten, die sich aus einem Vergleich mit der Regelung des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergeben. Auch in dieser Konstellation ist eine Entscheidung zwischen der gemeinsamen Sorge der Eltern und der Alleinsorge eines Elternteils zu treffen, allerdings besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass es bei § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB darum geht, ein "Mehr" an Sorge in ein "Weniger" an Sorge umzuwandeln, während die vorliegende Konstellation genau umgekehrt ist.
(1) Nach ständiger Rspr. des BGH ergibt sich aus § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB weder ein gesetzliches "Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehe und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht" komme, noch "eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung" sei. Vielmehr setzte "eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern" voraus. In der Literatur ist diese Interpretation zwar nicht unwidersprochen geblieben; die Auffassung, dass die gemeinsame elterliche Sorge der "normative Regelfall" des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei, scheint jedoch derzeit eher auf dem Rückzug. Dies ändert allerdings nichts daran, dass rechtspolitisch auch nach der Trennung der Eltern die gemeinsame Sorge Leitbildfunktion hat, was dazu geführt hat, dass die Mehrzahl der Eltern nach einer Trennung an der gemeinsamen elterlichen Sorge festhält.
(2) Die Konstellation des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung der Sorge auf einen Elternteil) kann jedoch nur eingeschränkt mit dem Übergang von der Alleinsorge der Mutter zur erstmaligen gemeinsamen elterlichen Sorge verglichen werden: Durch die originäre Zuweisung der elterlichen Sorge an die Mutter mit der Geburt des Kindes gewährt der Gesetzgeber dieser eine im Hinblick auf den Aufbau einer Beziehung zum Kind vorteilhafte Position; dieser Vertrauensvorschuss darf nicht zu einem "faktischen" Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten der gemeinsamen Sorge führen. Hatten die Eltern bislang keine soziale Beziehung, so dürfte zudem die Prognose, ob in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge ein Mindestmaß an Übereinstimmung erreicht werden kann, häufig schwer fallen – ein weiterer Umstand, der sich bei einer positiven Kindeswohlprüfung in Zweifelsfällen zum Nachteil des antragstellenden Vaters auswirken dürfte.
Diese Überlegungen sprechen – ebenso wie die Rspr. des BGH zur Kindeswohldienlichkeit in Art. 224 § 2 Abs. 3 S. 1 EGBGB – dafür, bei der erstmaligen Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf Antrag des Vaters die relativ beste Lösung für das Kind in der Regel im gemeinsamen Sorgerecht zu sehen. Rechtstechnisch könnte diese Lösung dadurch erreicht werden, dass dem Antrag des Vaters grundsätzlich stattzugeben ist, es sei denn, es ständen triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe (Maßstab des § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB) der gemeinsamen Sorge entgegen; in diesem Fall wäre der Antrag des Vaters abzuweisen und der Mutter die Alleinsorge zu belassen. Voraussetzung wäre auch bei dieser Regelung ei...