Dieses Modell versucht einen Kompromiss herzustellen zwischen Regelzugang des Vaters zum Sorgerecht und einer gewissen Sicherstellung seiner Sorgeeignung. Dies wird durch einen doppelten Kontrollfilter erreicht:
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positive Selbstauslese der Väter (Abgabe der Sorgeerklärung) |
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Negativkontrolle durch die Mutter, gegebenenfalls (bei Widerspruch) Überprüfung durch das Familiengericht. |
Das hat den Vorteil, dass insbesondere evident sorgeungeeignete Väter von vornherein gar nicht in das Sorgerecht einrücken – sicherlich ein Gewinn für das Kind und eine wünschenswerte Entlastung der nichtehelichen Mutter. Ausgeblendet bleibt dabei jedoch das Problem, dass andererseits grundsätzlich sorgegeeignete Väter sich durch Nichtabgabe einer Sorgeerklärung ohne weiteres ihrer Verantwortung gem. Art. 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz entziehen können (dazu noch unten V.).
Unabhängig davon wirft das Modell insgesamt aber zahlreiche offene Fragen (1.) und Probleme auf (2.).
1. Offene, regelungsbedürftige Fragen
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden in diesem Modell folgende Fragen zu bedenken und gegebenenfalls zu regeln sein:
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Sorgeerklärung des Vaters: Diese ist sicherlich erst möglich nach rechtlicher Etablierung der Vaterschaft (auch nach anfänglichem Bestreiten und Anerkennung erst im Rahmen eines Abstammungsprozesses, oder nach gerichtlicher Feststellung?). Es böte sich an, die Erklärung auch formell schon im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung zu ermöglichen. Wie diese, sollte sie auch schon vorgeburtlich abgegeben werden können. Sollte darüber hinaus eine Erklärungsfrist auch für den Vater bestehen? Evtl. eine Sperrfrist (Schonfrist für die Mutter) im zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt (etwa während der Mutterschutzfristen)? |
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Widerspruch der Mutter: Form? Begründungspflicht? Hemmung der Widerspruchsfrist während der Zeit des Mutterschutzes (so der Vorschlag der GRÜNEN)? |
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Familiengerichtliches Verfahren: Wie gelangt der Konflikt vor das Familiengericht: Ist der Widerspruch der Mutter in Form eines Antrags an das Familiengericht zu stellen, ihre Alleinsorge zu bestätigen? Oder bedarf es eines Antrags des Vaters, das gemeinsame Sorgerecht anzuordnen? Kann der Vater, bei feststehender Ablehnung durch die Mutter, gleich einen Antrag an das Familiengericht stellen? |
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Entscheidungsmaßstab des Familiengerichts: § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB passt nicht unmittelbar. Die in der Presse berichtete Formulierung der Bundesjustizministerin ("ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht oder nicht") deutet auf eine Prüfung hin, ob die gemeinsame Sorge "dem Kindeswohl dienlich" ist. Dies könnte als neutrale, offene Abwägung zwischen den Alternativen "Alleinsorge Mutter" und "Gemeinsame Sorge beider Eltern" verstanden werden. Andererseits wird nur die gemeinsame Sorge als prüfungs- (und offenbar legitimierungs-)bedürftige Gestaltung genannt – dies deutet eher auf eine Prüfung entsprechend dem Maßstab von Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB hin. Dieser Maßstab spiegelt jedoch nicht die grundsätzlich gemeinsame Sorgeverantwortung beider Eltern gem. Art. 6 Abs. 2 GG wider und wird einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle möglicherweise nicht standhalten (vgl. auch Löhnig, FamRZ 2010, 339: verfassungswidrig). Eher akzeptabel wäre eine Umformulierung des Rechtsgedankens aus § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB: "… ob die Ablehnung der gemeinsamen Sorge und die Sorgeausübung allein durch die Mutter dem Kindeswohl am besten entspricht"; gedacht werden könnte auch an eine Regelzuweisung des gemeinsamen Sorgerechts, es sei denn, dass "triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe gegen eine Mitsorge des Vaters sprechen" (analog § 1696 Abs. 1 BGB; so Schumann, FF 2010, 222, 229 unter Verweis auf die englische Rechtspraxis, nach der dem väterlichen Antrag in etwa 98 % der Fälle stattgegeben wird; dazu auch Scherpe, RabelsZ 2009, 935 ff., 940). |
2. Probleme und Kritik
Bei der fristgebundenen Widerspruchsmöglichkeit der Mutter handelt es sich um ein Einfallstor für unerwünschte Bürokratisierung, formale Quisquilien und rechtliche Unsicherheiten. Die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen, die im Einzelfall auftauchen können, sind jedem Juristen aus vergleichbaren Zusammenhängen bekannt.
Die Frist suggeriert zudem, dass nach ihrem Ablauf das gemeinsame Sorgerecht "endgültig" sei: Dies ist zum einen falsch, da spätere Anträge nach § 1671 BGB immer offen bleiben müssen. Zum anderen wird aber die Furcht vor Rechtsverlust viele Mütter zum Widerspruch drängen, die sonst erst einmal abgewartet hätten, wie es sich mit dem gemeinsamen Sorgerecht leben lässt. In diesen Fällen führt der Widerspruch dann zwangsläufig zu einer (unnötigen) Belastung der Elternbeziehung.
Außerdem erreicht das Widerspruchsmodell auch solche Paare nicht, die wegen ihrer Harmonie oder wegen genereller Behördenscheu jegliche "offiziellen" Maßnahmen nach Geburt des Kindes für überflüssig halten oder schlicht unterlassen (im Forschungsbericht des BMJ als durchaus signifikante Fallgruppe aufgeführt; im Fall des EuGH (oben II.) hatten die Eltern 10 Jahre zusammeng...