Stellungnahme Nr. 25/2024 vom 30.4.2024 des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Familienrecht zum BMJ-Referentenentwurf
Einführung
– im Anschluss an die DAV-Initiativstellungnahme Nr. 7/2017 und die DAV-Stellungnahme Nr. 12/2017 –
I. Zusammenfassung
Der DAV hält die aus Anlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1.2.2023 (1 BvL 7/18) vorgesehenen Änderungen der – als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten – Regelungen des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017 über die inländische Unwirksamkeit einer im Ausland wirksam geschlossenen Ehe mit einer Person, die bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht für ausreichend, um die rechtlichen Belange der von der Minderjährigenehe Betroffenen einem konsistenten Regelungsgefüge zuzuführen
Das Festhalten an der Nichtigkeit der betroffenen Ehen gebietet weit umfassendere Regelungen als die bislang vorgesehenen, um den Schutz der Interessen der Betroffenen zu gewährleisten.
Das Vorsehen und zugleich die Beschränkung des Schutzes der Ehegatten, die im Alter von unter 16 Jahren – sei es im In- oder Ausland – eine Ehe eingegangen sind, auf unterhaltsrechtliche Regelungen wird dem nicht hinreichend gerecht. Stattdessen wären ergänzende familienrechtliche Regelungen, insbesondere zum Abstammungs- und Sorgerecht, zur Ehewohnung sowie zum Verfahren zur Erklärung über die Fortsetzung der Ehe und zum Erbrecht geboten.
Der durch die Nichtigkeit eintretende Statuswechsel beeinträchtigt darüber hinaus den Personenstatus von aus solchen Verbindungen hervorgegangenen Kindern.
II. Stellungnahme im Einzelnen
Das BVerfG moniert, dass die Folgen der gem. Art. 13 Abs. 3 EGBGB installierten Unwirksamkeit von ausländischen Minderjährigenehen für das deutsche Recht nicht geregelt seien und überdies bei einer unwirksamen, gleichwohl im Ausland wirksamen, Ehe die Möglichkeit einer Fortsetzung ab Volljährigkeit unbeantwortet bleibe.
Der Referentenentwurf (RefE) des Bundesjustizministeriums (BMJ) vom 5.4.2024 hält an der grundlegenden Entscheidung fest, ausländische Minderjährigenehen, wenn einer der Verlobten noch nicht 16 Jahre alt gewesen ist, im Inland für unwirksam zu erklären. Aufgrund einer jedoch im Ausland wirksam geschlossenen Ehe werden im RefE nun Folgen und Heilungsmöglichkeiten in einem neu formulierten § 1305 BGB-E vorgestellt.
Nach dessen Abs. 1 bezieht sich die geplante Folgeregelung nicht nur auf unwirksame ausländische Minderjährigenehen, sondern auch auf die in Deutschland vorgesehene Nichtigkeit einer Ehe gemäß § 1303 S. 2 BGB.
Demnach sollen nicht rechtswirksam miteinander verheiratete Personen entsprechend dem geltenden Eherecht zum Unterhalt verpflichtet sein, wenn sie wie in einer ehelichen Gemeinschaft zusammenleben. Leben sie getrennt, jedoch noch nicht länger als drei Jahre, sollen die Vorschriften über Unterhaltsverpflichtungen bei Getrenntleben von Ehegatten ebenfalls entsprechend angewendet werden. Leben sie seit mehr als drei Jahren getrennt, greift der RefE auf die Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts einschließlich des Grundsatzes der Eigenverantwortung, aber zentral auf die Unterhaltstatbestände der §§ 1570 ff. BGB zu.
Für nichtige Ehen führt das zu einem rechtlichen Novum, denn aus einer Nichtigkeit sollen wie bei einer rechtswirksamen Ehe Unterhaltsverpflichtungen bzw. Unterhaltsforderungen resultieren. Hierbei kommt es auf die Hintergründe der ausländischen Ehe nicht an: Kulturelle Besonderheiten, Elternschaft, aber auch Druck oder gar Zwang sind für die im RefE vorgeschlagenen Rechtsfolgen bedeutungslos. Eine Einzelfallorientierung unterbleibt, stattdessen werden zwei Personen, womöglich nicht einmal als Paar zusammenleben, unterhaltsrechtlich wie Ehepartner behandelt.
Zugleich wird der Schutz hierauf beschränkt; eine Regelung bezogen auf die Ehewohnung wie sonst bei Aufhebung einer Ehe (§ 1318 Abs. 4 BGB) findet sich nicht.
Nicht geregelt ist im RefE, wie bei einer Nichtigkeit mit den abstammungsrechtlichen Zuordnungen zum Vater umgegangen werden soll. Aufgrund einer nichtigen Ehe gilt dieser nicht als Vater eines von einer nicht wirksam verheirateten Frau (in Deutschland) zur Welt gebrachten Kindes. Notwendig ist also in jedem Fall, dass der Vater seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkennt oder einen gerichtlichen Feststellungsantrag stellt.
Eine Heilung ist dann vorgesehen, wenn durch eine Erklärung (der bei Eheschließung noch nicht 16 Jahren alten Mutter) gegenüber dem Standesamt die Fortsetzung der Ehe über die Volljährigkeit hinaus beurkundet wird. In diesem Fall soll rückwirkend ein Kind zum ehelichen Kind werden. Bis dahin bleibt die zweite Elternstelle unbesetzt.
Diese abstammungsrechtlichen Folgen sind bedenklich. Der Mutter steht z.B. die Möglichkeit zu, trotz bekannter Elternschaft des (Nicht-)Ehemannes die Elternschaft einer anderen Person mit ihrer Zustimmung gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1595 BGB einzurichten.
Fraglich ist auch der Elternstatus, wenn in einer Minderjährigenehe nach Einreise in die Bundesrepublik bereits ein Kind vo...