Umso erfrischender, dass das BVerfG zum zehnjährigen Geburtstag des “neuen' Versorgungsausgleichsrechts einen neuen Ansatz gefunden hat, der den Versorgungsausgleich auch für Nichtfachleute haptischer, begreifbarer macht. Weder Barwert noch sonst irgendwelche “Bemessungsgrundlagen' seien eigentlich maßgeblich, sondern die zu erwartende Rentenleistung.
Das klingt so schlicht, man hätte auch selbst darauf kommen können. Wenn nämlich 100 EUR Rente ab Vollendung des 67. Lebensjahres bis zum Lebensende zu zahlen sind, reicht ein Blick in die Sterbetafel und eine einfache Multiplikation mit dem Taschenrechner um den Rentenertrag einer Versorgung zu bestimmen. Ihr “Barwert' oder ihre Bezugsgröße erscheinen dann als aufgeblasene Kopfgeburten von Sachverständigen und Angebern.
Bei diesem Ansatz können dann auch Renten miteinander verglichen werden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen, eine unterschiedliche Rentensteigerung und unterschiedliche Rentenarten gewähren. Jedem leuchtet ein, dass eine Rente von 100 EUR, die jährlich um 2 % steigt im klassischen Scheidungsalter von 50 Jahren vom Renteneintritt mit 67 Jahren bis zum Tod den Konsum von mehr “Maß Bier' ermöglicht, als eine Rente, die erst ab Renteneintritt und dann nur um magere 1 % oder gar nicht ansteigt.
Genau diesen “einfachen' Ansatz hat das BVerfG gewählt. Ob eine betriebliche Versorgung in Form einer Direktzusage oder Unterstützungskasse “extern' geteilt werden darf, hängt davon ab, ob der Versorgungsertrag aus einem in Kapital bestimmten Ausgleichswert in einer Zielversorgung einen der Quellversorgung entsprechenden Ertrag bringt. Dass dabei nicht die Rentenerträge für die ausgleichspflichtige und die ausgleichsberechtigte Person miteinander verglichen werden können, versteht sich von selbst. Deren Geschlecht und Alter im Ehezeitende sind meist unterschiedlich, weswegen Unterschiede in Lebenserwartung und Anwartschaftszeit zu berücksichtigen wären. Auch kann die Zielversorgung ein anderes Renteneintrittsalter und wird fast regelmäßig eine von der Quellversorgung unterschiedliche Rentendynamik aufweisen. Maßgeblich für die Prüfung der Zulässigkeit einer externen Teilung ist demnach die Höhe des Rentenertrags, den die ausgleichspflichtige Person in der Zielversorgung aus dem Augleichswert erhielte. Entspricht dieser Rentenertrag mindestens 90 % des Rentenertrags der Quellversorgung, liegt kein Grundrechtsverstoß vor. Ist der Versorgungsverlust größer und rügt die ausgleichsberechtigte Person dies, ist der Ausgleichswert vom Familiengericht so anzuheben, dass ein adäquates und damit grundrechtskonformes Rentenniveau in der Zielversorgung erreicht wird. Auf eine Halbteilung des Kapital- oder sonstigen Werts kommt es nicht an, vielmehr ausschließlich darauf, dass bei externer Teilung eines Anrechts in der Zielversorgung eine Versorgungsleistung geboten wird, die der der Quellversorgung in etwa entspricht.
Das klingt kompliziert und nach einer Überforderung der Familiengerichtsbarkeit ist aber die einfache Anwendung eines – allen noch aus der Schule bekannten – Dreisatzes:
Ist der Versorgungsträger zu einer Erhöhung des Ausgleichswerts auf das sich errechnende Niveau nicht bereit, kann er entweder eine zumutbare alternative Zielversorgung benennen, die ein adäquates Versorgungsniveau bietet, oder aber er selbst wählt die interne Teilung. Tut es das nicht, kann das Familiengericht ihn durch Beschluss zur internen Teilung verpflichten.
Angesichts dieser “Vorgabe vom Schlossplatz', kam der BGH nun nicht mehr umhin, auch die “Versorgungsleistung' der Zielversorgung als Messlatte für die Einhaltung des Halbteilungsgrundsatzes anzuerkennen (Rn 34) und diesen nicht mehr schon dann als erfüllt anzusehen, wenn ein richtig berechneter Kapitalwert des ehezeitlichen Versorgungserwerbs zwischen den Ehegatten geteilt wird.Anders als das BVerfG nimmt der BGH die Adäquanzprüfung indessen am Vergleich des Versorgungsertrags der ausgleichsberechtigten Person in Quell- und Zielversorgung vor. Das erfordert jedoch die Annahme einer Auskunftsverpflichtung des Quellversorgungsträgers über die “fiktive' Versorgungsleistung, die die ausgleichsberechtigte Person bei interner Leistung erhielte. Der BGH nimmt das Bestehen einer solchen Auskunftsverpflichtung aus einer Analogie zu § 220 Abs. 4 FamFG an (LS d) und Rn 45 ff.).
Letztendlich ist es gleichgültig, ob die Rentenerträge aus Quell- und Zielversorgung für die ausgleichspflichtige oder die ausgleichsberechtigte Person bestimmt werden, weil die Leistungsdifferenzen aus dem anzunehmenden Ausgleichswert gleich sind. Der Vorteil der Fokussierung auf die ausgleichpflichtige Person liegt darin, dass es keiner zusätzlichen Auskunftsverpflichtung des Quellversorgungsträgers bedarf und das Versorgungsniveau der in Betracht kommenden Zielversorgungen aus Gesetz oder Internet leicht zu bestimmen ist.