I. Problemstellung
Ausgangspunkt soll ein Fall sein, der der Entscheidung des OLG Naumburg aus dem Jahre 2002 zugrunde lag. Einer Mutter wurde wegen versuchter Kindestötung unmittelbar nach der Geburt im Jahre 1999 die elterliche Sorge vorläufig entzogen und dann auf das Jugendamt als Vormund übertragen. Das Kind wurde zu Pflegeeltern gebracht, wo es seither lebt. Das AG entzog ihr zwei Jahre später endgültig die elterliche Sorge. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde der Kindesmutter hat das OLG die Entscheidung des AG wegen Wegfalls der Gefahr eines erneuten Angriffs auf das Leben des Kindes aufgehoben. Zugleich erließ es aber wegen der starken, zur Zeit der Entscheidung fast dreijährigen Verwurzelung des Kindes in der Pflegefamilie und der mit der Trennung verbundenen schweren seelischen Probleme mit womöglich irreparablen Schäden für seine weitere Persönlichkeitsentwicklung auf Antrag der Pflegeeltern eine Verbleibensanordnung. Zugleich entzog es der Kindesmutter die elterliche Sorge für Gesundheitsangelegenheiten und übertrug sie auf die Pflegeeltern als Pfleger.
In diesem Fall, aber auch in zahlreichen anderen Fällen von Kindern in Dauerpflege stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von § 1632 Abs. 4 BGB zu § 1666 BGB. Dient die mit der Verbleibensanordnung angestrebte "Beibehaltung der elterlichen Sorge um jeden Preis" bzw. der Vorrang der "biologischen Zusammenhänge" wirklich dem Kindeswohl am besten, wenn man berücksichtigt, dass das Kind wahrscheinlich bis zum vollendeten 18. Lebensjahr in der Pflegefamilie verbleiben wird?
Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, in welchen Fällen bei einer Dauerpflege das Instrument der Verbleibensanordnung oder eine Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB in Betracht kommt, um die rechtliche Situation der Pflegefamilie dauerhaft zu sichern. Zur Beantwortung dieser Fragen sollen zunächst der Begriff der Dauerpflege sowie die sozialrechtliche (unter II.) und die familienrechtliche Ausgangslage der Dauerpflegefamilie (unter III.) dargelegt werden. Es folgt ein Blick auf die verfassungsrechtliche Stellung der faktischen Eltern, v.a. der Dauerpflegeeltern (unter IV.), bevor die Instrumente in § 1632 Abs. 4 (unter V.) und § 1666 BGB (unter VI.) etwas genauer betrachtet werden.
II. Begriff der Dauerpflege und das Regelungskonzept des SGB VIII
Die Dauerpflege stellt eine Form der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege als eine auf Dauer angelegte Lebensform dar (§ 33 S. 1 letzte Var. SGB VIII). Daneben gibt es die Vollzeitpflege in Form einer zeitlich befristeten Erziehungshilfe (§ 33 S. 1 Var. 1 SGB VIII). Wann die Vollzeitpflege als zeitlich befristete Erziehungshilfe (Pflegefamilie als "Ergänzungsfamilie" zur Herkunftsfamilie) oder als auf Dauer angelegte Lebensform (Pflegefamilie als "Ersatzfamilie") vom Jugendamt angeboten werden soll, hängt vom Einzelfall ab. Bei einer längerfristig angelegten Hilfe soll nach § 36 Abs. 2 S. 2 SGB VIII zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen ein Hilfeplan aufgestellt werden. Nach § 37 SGB VIII besteht bei Unterbringung des Kindes außerhalb der Familie die vorrangige Pflicht des Jugendamts, darauf hinzuwirken, dass die Pflegeperson und die Eltern zum Wohl des Kindes zusammenarbeiten (Abs. 1 S. 1) und dass durch Beratung und Unterstützung die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums so weit verbessert werden, dass die Eltern das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen können (Abs. 1 S. 2). Primäres Ziel ist danach also die Rekonstituierung der Herkunftsfamilie. Ist allerdings eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so soll mit den Beteiligten eine andere, dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden (§ 37 Abs. 1 S. 4 SGB VIII). Eine solche auf Dauer angelegte Lebensperspektive ist etwa der dauerhafte Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie.
III. Die familienrechtlichen Regelungen zur Dauerpflege
Die effektivste Sicherung des Pflegekindverhältnisses besteht in der Adoption, die auch nach der Konzeption des Jugendhilferechts als vorrangig gegenüber der Vollzeitpflege angesehen wird (§ 36 Abs...