Das gesetzliche Leitbild einer gemeinsamen elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern hat der Gesetzgeber in der Weise verwirklicht, dass aufgrund der Vermutung in § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB die von einem Elternteil beantragte gemeinsame elterliche Sorge als der vom anderen Elternteil zu widerlegende Regelfall gilt. Damit folgt der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Idealbild, auch wenn dieses durch eine gemeinsame elterliche Sorge ex lege vermutlich noch besser hätte verwirklicht werden können. Die jetzt vorgesehene Kombination der gesetzlichen Vermutung in § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB und des vereinfachten Verfahrens in § 155a Abs. 3 FamFG kommt diesem Ideal jedoch nahe und dürfte in der ganz überwiegenden Zahl der Konfliktfälle dem Anliegen einer effektiven Verwirklichung des Leitbilds der gemeinsamen elterlichen Sorge angemessen Rechnung tragen.
Für das gesetzliche Leitbild spricht die rechtstatsächliche Ausgangslage: Etwa ein Drittel aller Kinder wird heute außerhalb einer Ehe der Eltern geboren, wobei vor der Reform ca. 50–60 % aller nicht miteinander verheirateten Eltern durch Abgabe von Sorgeerklärungen die gemeinsame elterliche Sorge begründet haben. Da jedoch nach der vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebenen Studie "Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern" fast 80 % der befragten Eltern zusammenlebten und weitere rund 10 % eine Partnerschaft mit dem anderen Elternteil ohne gemeinsamen Haushalt führten, bestand vor der Reform eine erhebliche Diskrepanz zwischen tatsächlicher Verantwortungsübernahme durch beide Eltern und den rechtlichen Befugnissen der Väter. Hervorzuheben ist weiter, dass die Partnerschaften, die bei rund 90 % aller nicht miteinander verheirateten Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes bestehen, in der Mehrzahl der Fälle auch stabil bleiben. Aber auch im Falle einer Trennung der Eltern sind nach Schätzungen etwa 95–99 % aller Eltern hinsichtlich der Sorge- und Umgangsregelungen konsensfähig.
Angesichts dieser Ausgangslage und aufgrund positiver Erfahrungen im europäischen Ausland lag es nahe, der Reform das Leitbild der gemeinsamen elterlichen Sorge für nicht miteinander verheiratete Eltern zugrunde zu legen. Es steht zu erwarten, dass aufgrund der nun möglichen gerichtlichen Durchsetzbarkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge ein Teil derjenigen Mütter, die vor der Reform trotz bestehender Partnerschaft mit dem Vater die Abgabe von Sorgeerklärungen verweigert haben, zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens Sorgeerklärungen abgeben bzw. sich im vereinfachten Verfahren nicht gegen die gemeinsame elterliche Sorge aussprechen werden. Zudem bietet das vereinfachte Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG für eine wahrscheinlich nicht kleine Fallgruppe eine unkomplizierte Lösung: Sind sich nämlich die Eltern einig, dass ein Teil der elterlichen Sorge nicht gemeinsam ausgeübt werden soll (beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein der Mutter verbleiben soll), so kann diese Lösung zwar nicht durch Abgabe von Sorgeerklärungen nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB verwirklicht, aber im vereinfachten Verfahren unbürokratisch und schnell herbeigeführt werden.
In diesem Sinne wird die effektive Verwirklichung des gesetzlichen Leitbilds einer gemeinsamen elterlichen Sorge in § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB mit Hilfe eines vereinfachten Verfahrens nach § 155a Abs. 3 FamFG in den Gesetzesmaterialien wie folgt begründet: "Die gesetzliche Vermutung schränkt den in Kindschaftssachen geltenden Amtsermittlungsgrundsatz ein und ermöglicht es dem Familiengericht in den in [§ 1626a Abs. 2 S. 2 BGB] genannten Fällen, die gemeinsame Sorge ohne weitere Amtsermittlung allein auf Grundlage des Beteiligtenvortrags und unter Berücksichtigung der dem Gericht auf sonstige Weise bereits bekannten Tatsachen zuzusprechen. Das verfahrensrechtliche Pendant zu der materiell-rechtlichen Vermutung des § 1626a Absatz 2 Satz 2 BGB-E ist § 155a Absatz 3 FamFG-E; diese Vorschrift sieht vor, dass das Familiengericht in den Fällen des Satzes 2 in einem vereinfachten schriftlichen Verfahren, ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheidet."