Als Ziel von Art. 5 des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder formuliert der Gesetzgeber die verfahrensrechtliche Stärkung der Kinderrechte. Um dieses gesetzgeberische Ziel auch in der Beschwerdeinstanz umzusetzen und die besonders schutzwürdige Gruppe der betroffenen Minderjährigen verfahrensrechtlich abzusichern, wurde das Beschwerdeverfahren in wesentlichen Bereichen neu geregelt.
§ 68 Abs. 4 und 5 FamFG lauten aktuell wie folgt:
Zitat
(4) 1Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 ZPO der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. 2Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. 3Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
1. die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666, 1666a BGB,
2. der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 BGB,
3. eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 BGB oder § 1682 BGB.
Diese verfahrensrechtlichen Änderungen für die Beschwerde sollen das Ziel des Normgebers unterstützen, dass Entscheidungen der Beschwerdeinstanz in den besonders grundrechtssensiblen Kindschaftsverfahren, insbesondere in den in § 68 Abs. 5 FamFG aufgezählten Kinderschutzverfahren, stets im Kollegium in Dreierbesetzung, nach einer Kinderanhörung und nach mündlicher Verhandlung getroffen werden.
Es ist dabei nicht nachvollziehbar, warum in der Gesetzesänderung nicht unterschieden wird zwischen der weniger weitreichenden Einschränkung des § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB – zu entscheiden auf der Kindeswohlschwelle des § 1697a BGB – und der längerfristigen Umgangsaussetzung nach § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB – Basis der richterlichen Entscheidung ist hier die Schwelle der Kindeswohlgefährdung.
Sämtliche anderen Verfahrensgegenstände, die der Gesetzgeber im § 68 Abs. 5 FamFG aufzählt, haben als Voraussetzung für die schärferen Verfahrensregeln die Kindeswohlgefährdung.
Im Ergebnis werden tendenziell mehr Rückverweisungen in die erste Instanz erfolgen. Es ist kaum eine Konstellation denkbar, in der das Familiengericht unter Verzicht auf die persönliche Anhörung entscheiden darf, insbesondere nicht in den Kinderschutzverfahren der §§ 1666, 1666a BGB. Da persönliche Anhörungen des Kindes sehr zeitintensiv sein können, ist eine verstärkte Tendenz der Rückverweisung wegen erheblichen Verfahrensmangels trotz des Grundsatzes der Selbstentscheidung des Beschwerdegerichts zu erkennen, dies auch mit der Begründung, dass nach Anhörung den Sorgeberechtigten, dem Jugendamt und dem Verfahrensbeistand Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben wäre, so dass durch das Oberlandesgericht noch eine umfangreiche Ermittlungsarbeit notwendig wäre.
Diese Handhabung ist dem Kinderschutzgedanken nicht förderlich, weil es das Kind mangels abschließender Entscheidung noch länger im Ungewissen lässt. Dies erscheint nur in Ausnahmefällen vertretbar. Auch wenn ein Erstgericht zu Unrecht – sicher nur im Einzelfall – die Kindesanhörung unterlässt, kann diese meist nur eine Verfahrenshandlung im Regelfall vom Beschwerdegericht nachgeholt werden, Es erspart dem Kind eine richterliche Anhörung durch Wiederholung in der ersten und zweiten Instanz und minimiert den Zeitablauf des Verfahrens. Das zu diesen neuen Tatsachen aus der Anhörung zu gewährende rechtliche Gehör für alle Beteiligten sollte die zweite Instanz nicht überlasten. Für das Beschwerdegericht ist dies durchaus noch eine zumutbare Amtsermittlung, da sie letztlich das Kind entlastet und das Ping-Pong-Spiel zwischen erster und zweiter Instanz vermeidet.
Es ist hier nicht entscheidend, die Fehler der ersten Instanz und/oder die Arbeitsbelastung der zweiten Instanz in den Fokus zu nehmen. Der allein entscheidende Blick ist darauf zu richten, wie in gemeinsamer Achtsamkeit mit minimaler Belastung für das Kind eine rechtskräftige Entscheidung erreicht werden kann, die es der Familie möglich macht, ihre Familienstrukturen darauf einzurichten, letztlich also einen Weg in eine erträglichere Zukunft zu ermöglichen.
Im Kinderschutz führt allein diese Denkweise zu kindeswohlgerechten Ergebnissen. Eine rein formalistisch juristische Sichtweise könnte Prolongierungen mit schädigenden Wirkungen für das Kind auslösen. Formalismus ist entscheidend, wenn man als Gericht keine Wahl hat, weil die inhaltlichen oder formellen Fehler so gravierend sind. Hat man aber eine alternative Handlungsmöglichkeit, plädiere ich dafür, vorrangig alle Konsequ...