Im Blickpunkt der nachfolgenden Ausführungen steht die bereits zwischen den Eltern bestehende gemeinsame Sorge, d.h. nicht berührt werden Fallgestaltungen im Sinn des § 1671 Abs. 2 BGB, in denen der Vater des Kindes erstmals – vor dem Hintergrund der originären Sorge der Mutter gem. § 1626 Abs. 3 BGB – die Übertragung der Alleinsorge erstrebt.
Leben Eltern, die bislang die Sorge für ihr Kind gemeinsam ausgeübt haben, dauerhaft getrennt und zwar unabhängig davon, ob sie miteinander verheiratet sind, so gilt für die Regelung der elterlichen Sorge ab diesem Zeitpunkt § 1671 BGB als zentrale rechtliche Grundlage, soweit die Eltern keine einvernehmliche Regelung finden können und es gem. § 1671 Abs. 4 BGB keiner Regelung aufgrund einer anderen Vorschrift – insbesondere nach § 1666 BGB – bedarf.
Trägt danach ein Elternteil auf Übertragung der Sorge in ihrer Gesamtheit oder in Teilbereichen an, so hat das Familiengericht im Rahmen der sog. "großen Kindeswohlprüfung" gem. § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB zu bewerten, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten dient und zudem die Übertragung der alleinigen Sorge gerade auf den antragstellenden Elternteil die dem Kindeswohl am besten entsprechende Entscheidung darstellt.
Bei der Beurteilung der Frage, ob es am Kindeswohl orientiert einer Aufhebung der gemeinsamen Sorge bedarf, gilt der Grundsatz, dass die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge voraussetzt und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern besteht. Eine auf der Elternebene fehlende Kooperationsfähigkeit und Kooperationswilligkeit spricht daher für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge, wenn diese funktionsunfähige Kommunikationsebene – die deutlich stärker ausgeprägt sein muss alsübliche Unstimmigkeiten zu Alltagsproblemen – sich nachteilig auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes auswirkt.
Inwieweit dann die elterliche Sorge gerade dem antragstellenden Elternteil zu übertragen ist, beurteilt sich auf der nächsten Prüfungsebene nach den anerkannten Kriterien der Kindeswohlprüfung, d.h. der Erziehungseignung eines Elternteils, dem Förderungsgrundsatz, dem Kontinuitätsgrundsatz, den Bindungen des Kindes bzw. dem Kindeswillen, soweit er mit dem Kindeswohl vereinbar ist.
Da die familiengerichtliche Entscheidung zur Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil zugleich einen Eingriff in das nach Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht des jeweils anderen Elternteils darstellt, d.h. diesem die elterliche Sorge insgesamt oder in Teilbereichen entzogen wird, muss bei der getroffenen Entscheidung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Es bedarf daher stets der Prüfung, ob dem Kindeswohl auch durch die Wahl milderer Mittel Genüge getan werden kann. Diese Prüfung erstreckt sich nicht nur auf die Frage, ob statt des vollständigen Entzugs der elterlichen Sorge zu Lasten eines Elternteils, auch die Übertragung nur eines Teilbereichs der elterlichen Sorge ausreichend ist, sondern zugleich darauf, ob zur Wahrnehmung der elterlichen Vertretungsbefugnis auch die Erteilung einer Vollmacht ausreichend sein kann.