BGB § 1671
Leitsatz
Zu den Kriterien für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil.
OLG Hamm, Beschl. v. 21.3.2011 – II 8 UF 155/09 (AG Gronau)
1 Gründe:
[1] I. Die Kindeseltern waren seit dem 24.2.2000 miteinander verheiratet. Ihre Ehe ist mittlerweile durch Urt. v. 26.7.2010 geschieden worden. Sie hatten sich im Sommer 1999 in einem Lokal in den Niederlanden kennen gelernt. Dort hatte sich die am 6.10.1977 geborene Antragsgegnerin, die aus Brasilien stammt, mit einem 3-Monats-Visum zu Besuch bei einer Freundin aufgehalten. Aus der Ehe ist das am 27.11.2001 geborene Kind M hervorgegangen. Im Oktober 2008 verließ der Antragsteller, nachdem er von Trennungsabsichten der Antragsgegnerin erfahren hatte, zusammen mit dem betroffenen Kind die gemeinsame Ehewohnung in H und zog in sein Elternhaus im Ortsteil Z1. Die Antragsgegnerin verzog im April 2009 nach C. Dort hatte sie zuvor über eine Freundin, die, wie sie, Mitglied der brasilianischen Kirchengemeinde "Deus e amor" ist, bei einer Geburtstagsfeier den Sänger, Schauspieler und Regisseur E kennen gelernt. Die Antragsgegnerin lebt seitdem mit Herrn E zusammen. Aus dieser Beziehung ist das am 18.11.2009 geborene Kind M2 hervorgegangen.
[2] Der am 21.3.1969 geborene Antragsteller ist von Beruf Bauarbeiter im Tiefbau und vollschichtig berufstätig. Er wohnt in einem Haushalt zusammen mit seinem 79 Jahre alten Vater und seinem jüngeren Bruder. Während der Zeit seiner beruflichen Abwesenheit wird das betroffene Kind im benachbarten Haushalt der Schwester des Antragstellers betreut und versorgt. Sie bringt morgens das betroffene Kind und ihre eigene Tochter zu der in der Nähe gelegenen G.Schule in Z1. Nach dem Unterricht wird das Kind zunächst in der Schule und dann von der Schwester des Antragstellers betreut. In seiner Freizeit spielt das Kind vorwiegend Fußball im Verein "Vorwärts Z1".
[3] Der Antragsteller hat vorgetragen, die Antragsgegnerin habe in den Niederlanden als Prostituierte gearbeitet. Dort habe er sie in einem Bordell kennen gelernt. Während des Zusammenlebens habe er sich überwiegend um das Kind gekümmert. Bei der Kirchengemeinde, der die Antragsgegnerin angehöre, handele es sich um eine fanatische religiöse Gruppe, die ihren Mitgliedern u.a. das Fußballspielen verbiete. Die Antragsgegnerin habe sich deshalb geweigert, das Kind zum Fußballtraining zu begleiten.
[4] Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, wegen der Berufstätigkeit des Antragstellers habe nur sie sich um das Kind gekümmert. Sie sei deshalb die Hauptbezugsperson für das Kind. Sie habe Bedenken gehabt, das Kind zum Fußball gehen zu lassen, weil dort Alkohol und Zigaretten konsumiert würden. Der Vater schaue mit dem Kind Erotikfilme und zeige ihm Erotikhefte. Er besuche regelmäßig Prostituierte und habe homosexuelle Neigungen.
[5] Durch den angefochtenen Beschluss ist gem. § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB die gemeinsame Sorge für das betroffene Kind teilweise aufgehoben und dem Kindesvater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es sei zu erwarten, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater dem Kindeswohl am besten entspreche. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Kind durchgängig eindeutig bekundet habe, beim Kindesvater leben zu wollen. Diesen Willen habe es nicht nur anlässlich der gerichtlichen Anhörung, sondern auch gegenüber der Verfahrenspflegerin geäußert. Das Gericht habe keinen Zweifel daran, dass der Wunsch von M, beim Kindesvater leben zu wollen, seinem wirklichen Willen entspreche. Es habe ungeklärt bleiben können, ob während der Zeit des Zusammenlebens die Betreuung überwiegend vom Kindesvater oder von der Kindesmutter übernommen worden sei. Seit der Trennung der Eltern betreue der Kindesvater jedenfalls das Kind. Daneben sei zu berücksichtigen, dass das Kind in Z1 sozial stark eingebunden sei. Es besuche dort die Schule, habe dort seine Freunde und einen starken Bezug zum dortigen Fußballverein. Ferner sei die Großfamilie, in der das Kind mit seinem Vater lebe, intakt. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter würde bedeuten, dass das Kind durch den zwangsläufigen Umzug nach C aus dem gut funktionierenden sozialen Gefüge und Umfeld herausgerissen würde. Die Entscheidung stimme mit dem Vorschlag der Verfahrenspflegerin überein.
[6] Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie führt zur Begründung aus, die Äußerungen des Kindes im Rahmen seiner Anhörung, auf die das Amtsgericht seine Entscheidung vor allem gestützt habe, beruhten offensichtlich auf Beeinflussungen durch den Antragsteller. Es könne nicht einfach angenommen werden, dass der bekundete Wille des Kindes auch der wirklich empfundene Wille sei. Der Antragsteller habe unmittelbar nach der Trennung seinen Einfluss auf das Kind massiv geltend gemacht und versucht, sie, die Antragsgegnerin, in ein schlechtes Licht zu rücken. Auch im Hinblick auf den Kontinuitätsgrundsatz habe das Amtsgericht ...