BGB §§ 1684, 1687, FamFG § 64 Abs. 3
Leitsatz
Eine Flugreise nach Nicaragua ist in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist. Gefahren für das Kind ergeben sich durch die erhöhte Ansteckungsgefahr und die vergleichsweise geringere ärztliche Versorgungsqualität in Mittelamerika.
(red. LS)
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.3.2020 – 7 UF 17/20 (AG Kirchhain)
Aus den Gründen
Gründe: [1] Die vorliegende einstweilige Anordnung und die Aussetzung der Vollziehung des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses des Amtsgerichts Kirchhain vom 10.3.2020, mit dem das Amtsgericht seine einstweilige Anordnung vom 10.3.2020 bestätigt hat, beruhen auf § 64 Abs. 3 FamFG.
[2] Es bestehen dringende Anhaltspunkte dafür, dass die angefochtenen Beschlüsse im Ergebnis keinen Bestand haben können. Der Beschl. v. 10.3.2020 geht bereits fälschlicherweise davon aus, dass die Reise nach Nicaragua keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist. Dies ist in der gegenwärtigen Situation der weltweiten Coronapandemie nicht richtig. Hierbei muss besonders berücksichtigt werden, dass Passagiere einer Flugreise besonderen Gefahren ausgesetzt sind, wenn andere Passagiere bereits erkrankt sind und etwaige Viren durch die Klimaanlage im Flugzeug zirkulieren. Gerade bei dieser Gefahrenlage muss davon gesprochen werden, dass es sich bei der beabsichtigten Flugreise um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt.
[3] Ebenso wenig vertretbar ist die Annahme des Amtsgerichts, dass es in wärmeren Gegenden der Erde keine Gefahr durch den Corona-Virus gebe. Hierfür liegen keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vor. In Anbetracht der Gefahren, die sich bei einer gemeinsamen Flugreise mit anderen infizierten Personen ergeben könnten, ergeben sich bei einer Reise nach Nicaragua für das Kind daher größere Gefahren als wenn das Kind hier in Deutschland bleiben würde, zumal die medizinische Versorgung in Deutschland als qualitativ höherwertiger einzuschätzen ist als diejenige in Mittelamerika.
[4] Wegen Gefahr im Verzug ergeht die einstweilige Anordnung ohne Anhörung der Kindesmutter. Diese wird nachzuholen sein.
[5] Der Senat stellt klar, dass die Kindesmutter selbstverständlich berechtigt bleibt, die Flugreise ohne das Kind anzutreten und das Kind während ihrer Abwesenheit vom Kindesvater betreuen zu lassen.
FF 10/2020, S. 418 - 419