Eva Becker
Es liegt der Referentenentwurf eines Gesetzes vor, das das Familienrecht reformieren soll!
"Wir bringen das Familienrecht auf die Höhe der Zeit." erklärt der Bundesminister der Justiz dazu (BMJ Pressemitteilung Nr. 70/2024 v. 24.7.2024, FF 2024, 340).
Das trifft nicht zu auf das Abstammungs-, Kindschafts- und Unterhaltsrecht, weil sich der Referentenentwurf damit nicht befasst. Aber man freut sich ja mittlerweile über jedwede familienrechtliche Aktivität des Gesetzgebers, die über Eckpunkte und FAQs hinausgeht.
Der sperrige Titel: "Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren, zur Stärkung des Verfahrensbeistands und zur Anpassung sonstiger Verfahrensvorschriften" lässt nicht erahnen, dass unter "Sonstiges" eine seit Jahren erhobene Forderung des DAV zur Umsetzung gelangt: Zur Vermeidung einer grundrechtswidrigen Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes des ehezeitlichen Versorgungserwerbs müsste der Gesetzgeber eine zeitnahe Regelung vornehmen, um zu verhindern, dass Ehegatten durch den Nichtausgleich von fahrlässig oder vorsätzlich dem Ausgleich entzogenen Versorgungsanrechten irreparabel geschädigt werden, lautete der dringende Apell (DAV-Stellungnahme Nr. 68/2020, abrufbar unter: dav-sn-68-aenderung-des-versorgungsausgleichs.pdf, Nr. 56/2021, abrufbar unter: dav-sn-nr-56-2021-reform-des-familienrechts.pdf, DAV-Initiativ-Stellungnahme Nr. 72/2022, in diesem Heft, S. 382). Der Gesetzgeber hatte nun ein Einsehen: Künftig sollen auch Versorgungsanrechte, die "übergangen" – insbesondere, weil sie vergessen, verschwiegen oder übersehen – wurden, einem schuldrechtlichen Ausgleich zugeführt werden können, Art. 8 Ref-E.
Unter "Sonstiges" findet sich darüber hinaus ein neues Rechtsmittel: Zumindest ein Teilbereich der Eilentscheidungen in Umgangsverfahren soll künftig überprüfbar sein. Durch das Rechtsmittel privilegierte Entscheidungen sollen aber nur solche sein, die den vollständigen Ausschluss des Umgangs mit einem Elternteil, der nicht nur auf eine kurze und vorübergehende Aussetzung des Umgangs beschränkt ist (Art. 1 Nr. 2a Ref-E) zum Inhalt haben. Das ist ein Anfang, Für alle anderen Umgangsentscheidungen im Eilverfahren bleibt es aber dabei, dass sie nicht mit einem Rechtsmittel überprüfbar sind. Meint man es mit dem Erhalt beider Eltern für ein Kind ernst, sollte man es dabei nicht belassen.
Auch kein Rechtsmittel soll es explicit geben, wenn das Gericht auf Antrag des Verfahrensbeistands anordnet, dass die Eltern dem Verfahrensbeistand ein persönliches Gespräch mit dem Kind ermöglichen müssen; das auch in Abwesenheit der Eltern (Art. 1 Nr. 7 zu § 158d neu Ref-E). Das kann man als Stärkung der Kinderrechte verstehen; man kann aber auch der Meinung sein, dass der Gesetzgeber einem Eingriff in das grundrechtlich geschützte Elternrecht nicht grundlos die Überprüfung versagen darf. Kein hinreichender Grund wird ein Mehraufwand an Zeit und Kosten sein. Er ist nach rechtsstaatlichen Grundsätzen hinzunehmen.
Der Gesetzgeber sollte nicht damit fortfahren, gerichtliche Anordnungen der Überprüfbarkeit zu entziehen, das jedenfalls dann nicht, wenn sie explicit in Grundrechte eingreifen. Effektiver Rechtsschutz (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK bzw. Art. 13 EMRK), den man sich im Familienrecht auch bezogen auf Beweisbeschlüsse wünschen würde, scheint derzeit nicht hoch im Kurs zu stehen. Das jedenfalls wären keine guten Neuigkeiten.
Autor: Eva Becker
Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin
FF 10/2024, S. 381