I. Die im Tenor dieses Beschlusses genannten Kinder M. und L. stammen aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ihrer Eltern. Die beteiligten Eltern leben seit Sommer 2008 getrennt. Eine gemeinsame elterliche Sorge für die Kinder besteht nicht.
Der Antragsteller/Kindesvater beantragt auf der Grundlage des Beschlusses des BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 420/09 [FamRZ 2010, 1403 ff.], ihm gemeinsam mit der Mutter/Antragsgegnerin das elterliche Sorgerecht für seine Kinder M. und L. zu übertragen, weil dies dem Kindeswohl entspreche.
Die Kindesmutter lehnt die gemeinsame elterliche Sorge für M. und L. ab, da sie nicht bereit sei, mit dem aus ihrer Sicht vertrauensunwürdigen Kindesvater in Kindesbelangen zu kooperieren.
Der Kindesvater hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt, er sei zur Zusammenarbeit mit der Kindesmutter hinsichtlich seiner Kinder bereit. Im Interesse des Kindeswohls sei er damit einverstanden, im Falle der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei Problemen bzw. bei Meinungsverschiedenheiten von erheblicher Bedeutung gemeinsam mit der Mutter eine Beratungsstelle aufzusuchen.
In der mündlichen Verhandlung haben die beteiligten Eltern vereinbart, so schnell wie möglich gemeinsame Gespräche bei der psychologischen Beratungsstelle … aufzunehmen.
Die Eltern und die Kinder wurden richterlich angehört. Zum Schutze der Interessen der Kinder wurde eine Verfahrensbeiständin bestellt.
Mit Zustimmung der Beteiligten wurden die Kinder in Abwesenheit der Verfahrensbeiständin zum Verfahrensgegenstand befragt.
II. Der Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für seine Kinder M. und L. ist zum jetzigen Zeitpunkt in dem Umfang begründet, wie sich dies aus dem Tenor dieses Beschlusses ergibt.
Auf der Grundlage des Beschlusses des BVerfG vom 21.7.2010, welcher Gesetzeskraft hat, überträgt das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.
Um eheliche und nichteheliche Kinder soweit wie möglich gleichzustellen, ist davon auszugehen, dass die gemeinsame elterliche Sorge sowohl für eheliche als auch für nichteheliche Kinder grundsätzlich dem Kindeswohl entspricht. Eine andere Bewertung scheidet aus, weil §§ 1626 Abs. 1, 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB bei ehelichen Kindern ohne Rücksicht auf die familiären Verhältnisse und ohne Rücksicht auf die Beziehungen der Eltern zueinander von der Geburt der Kinder an die gemeinsame elterliche Sorge anordnet.
Bei der gebotenen Einzelfallprüfung ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass die Kindesmutter dem Kindesvater misstraut. Am Ende der Sitzung hat die Kindesmutter lediglich zugestimmt, gemeinsam mit dem Kindesvater eine psychologische Beratungsstelle aufzusuchen. Zu weiteren Zugeständnissen war die Kindesmutter hinsichtlich des Sorgerechts für M. und L. nicht bereit.
Die gemeinsame elterliche Sorge bei nichtehelichen Kindern scheidet dann aus, wenn die gemeinsame elterliche Sorge bei ehelichen Kindern gemäß § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB aufzuheben wäre.
Die fehlende Kooperationsbereitschaft bzw. -fähigkeit der Eltern steht der gemeinsamen elterlichen Sorge für ihre Kinder aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht grundsätzlich entgegen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob dadurch die Belange der Kinder beeinträchtigt werden, oder ob dies bei M. und bei L. konkret zu besorgen ist (OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 111; BGH FamRZ 2008, 592).
Nach der Anhörung der Kinder und ihrer Eltern steht zur sicheren Überzeugung des Gerichts fest, dass die fehlende Kooperationsbereitschaft bzw. -fähigkeit der Kindesmutter Kindesbelange nur berührt, soweit es die Gesundheitsfürsorge und die Regelung der schulischen Angelegenheiten der Kinder anbelangt.
Die Kindesmutter geht nach intensiver ärztlicher Prüfung und Beratung davon aus, dass M. und L. an ADHS leiden. Der Kindesvater will nach den Angaben von M., dass ihr Bruder und sie die hiergegen verschriebenen Tabletten nicht einnehmen.
Anlässlich des Wechsels von M. vom Gymnasium auf die Realschule warf der Antragsteller der Antragsgegnerin nach ihren glaubhaften Angaben vor, nicht ausreichend mit M. gelernt zu haben. M. hat bei ihrer richterlichen Anhörung erklärt, dass ihre Eltern sich nicht hätten einigen können, ob sie in der Schule als Fremdsprache … oder … auswähle. Die Angaben von M. sind glaubhaft. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben von M. zu zweifeln. M. ist ein ernsthaftes, jetzt 12 Jahre altes Mädchen, das sich der Bedeutung der richterlichen Anhörung voll bewusst war. Anhaltspunkte dafür, dass M. für einen der beteiligten Eltern Partei ergreifen wollte, sind nicht erkennbar. M. gab am Ende ihrer Anhörung an, dass die gemeinsame elterliche Sorge Vor- und Nachteile habe; mehr wolle sie zu diesem Thema nicht sagen.
Aus der Anhörung der Kinder der Beteiligten ergibt sich, dass zum jetzigen Zeitpunkt im Falle der gemeinsamen elterlichen Sorge ...