OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.2.2023 – 18 UF 153/21
1. Bei Ermittlung der Differenz der Ausgleichswerte beiderseitiger Anrechte gleicher Art im Rahmen von § 18 Abs. 1 VersAusglG sind jedenfalls dann alle gleichartigen Anrechte im Wege der Saldierung einzubeziehen, wenn sie bei demselben Versorgungsträger bestehen.
2. Keine Gleichartigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 VersAusglG besteht bei Anrechten aus einer sog. Riester-Rente und solchen aus einer so genannten Rürup-Rente, weil sie sich im Verwaltungsaufwand, der Art der staatlichen Förderung sowie in der Besteuerung unterscheiden, was regelmäßig zu wesentlich unterschiedlichen wirtschaftlichen Ergebnissen führen kann.
3. Der Ausschluss eines Ausgleichs von Bagatellanrechten zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung findet seine Grenze in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes gem. § 1 Abs. 1 VersAusglG. Dies gilt insbesondere dann, wenn Anrechte unter Anwendung von § 18 VersAusglG nicht ausgeglichen werden, obwohl die mit dieser Vorschrift bezweckte Folge nicht oder nur in Ansätzen erreicht wird oder wenn sich der Verwaltungsaufwand nicht als unverhältnismäßig darstellt. Ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand oder eine sogenannte Splitterversorgung entsteht dann nicht, wenn beide Ehegatten ohnehin Anrechte bei demselben Versorgungsträger haben und der Ausgleich über die bestehenden Konten durch Umbuchung erfolgt.
4. Der Gesichtspunkt der Verwaltungseffizienz tritt allerdings in den Vordergrund, wenn die Differenz im Ausgleichswert beider Anrechte nur äußerst gering ist und der Ausgleichsbegünstigte nicht auf Bagatellbeträge im Sinne von § 18 VersAusglG angewiesen ist.
(red. LS)
OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.2023 – 4 UF 155/22
1. Die für die Durchführung des Versorgungsausgleichs maßgebliche Ehezeit kann bei jahrelanger Aussetzung des Scheidungsverfahrens wegen Versöhnung der früheren Eheleute ausnahmsweise über den Zeitpunkt der Zustellung des ersten Scheidungsantrags hinaus bis zur Zustellung eines "erneuten Scheidungsantrags" andauern.
2. Für den Versorgungsausgleich gilt zwar der Amtsermittlungsgrundsatz, § 26 FamFG; dieser umfasst aber nur die "erforderlichen" Ermittlungen. Die von § 27 VersAusglG geforderte grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs stellt einen Ausnahmefall dar, dessen tatsächliche Voraussetzungen zumindest in Form von Anhaltspunkten darzustellen sind, die das Gericht veranlassen können, von Amts wegen Feststellungen darüber zu treffen.
3. Im Fall der kompensationslosen Entziehung eines zum Zwecke der Alterssicherung erworbenen Anrechts aus dem Versorgungsausgleich durch Ausübung des Kapitalwahlrechts entfällt zugleich in demselben Umfang die Grundlage dafür, in umgekehrter Richtung an Anrechten des anderen Ehegatten teilhaben zu dürfen.