I. Einleitung
Schon im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 hatte sich die Ampelkoalition vorgenommen, das Unterhaltsrecht zu modernisieren und die Betreuungsanteile beider Eltern bei der Berechnung des (Kindes-)Unterhalts besser zu berücksichtigen. Nun hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 25.8.2023 hierzu ein Eckpunktepapier vorgelegt. Es sieht Neuregelungen vor, die sich nicht nur auf den Kindesunterhalt beschränken, sondern auch den Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB betreffen. Als Eckpunktepapier enthält es allerdings keine konkreten Gesetzesformulierungen, sondern nur inhaltliche Regelungsvorschläge. Das BMJ führt in seiner Pressemitteilung aus, dass das Eckpunktepapier nicht am Ende, sondern Anfang der Diskussion stehe und Wissenschaft und Rechtspraxis eingeladen seien, Stellung zu nehmen. Der folgende Beitrag soll den Inhalt des Eckpunktepapiers darstellen und eine erste Bewertung der vorgeschlagenen Änderungen vornehmen.
II. Kindesunterhalt im asymmetrischen Wechselmodell
1. Ausgangspunkt
Kernelement des Eckpunktepapiers ist die künftige Berechnung des Kindesunterhalts bei substanzieller Mitbetreuung durch den anderen Elternteil unterhalb der Schwelle des paritätischen bzw. symmetrischen Wechselmodells. Durch die angedachten Änderungen soll die Betreuung minderjähriger Kinder durch beide Eltern weiter gefördert und die hiermit zusammenhängenden finanziellen Lasten fairer verteilt werden. Die substanzielle Mitbetreuung durch den anderen Elternteil ordnet das Eckpunktpapier einem neuen Betreuungsmodell zu, dem sog. asymmetrischen Wechselmodell, welches näher definiert wird. Das Eckpunktepapier sieht für das asymmetrische Wechselmodell eine gesonderte Berechnungsweise vor, welche deutlich von der bislang praktizierten Unterhaltsberechnung bei Wahrnehmung eines ausgedehnten Umgangsrechts abweicht.
2. Vorliegen eines asymmetrischen Wechselmodells
Fälle der substanziellen Mitbetreuung soll das Gesetz zukünftig unter dem Begriff des asymmetrischen Wechselmodells zusammenfassen. Das Unterhaltsrecht kennt damit zukünftig drei verschiedene Betreuungsmodelle, an die jeweils unterschiedliche Berechnungsmodelle anknüpfen: das Residenzmodell, das asymmetrische Wechselmodell und das symmetrische Wechselmodell. Die bislang praktizierte Unterhaltsberechnung im Residenzmodell ebenso wie die im symmetrischen Wechselmodell möchte das BMJ nicht verändern, sondern schlägt nur ein gesondertes Rechenmodell für die Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell vor.
Ein asymmetrisches Wechselmodell liegt nach dem Eckpunktepapier immer dann vor, wenn sich der andere Elternteil mit einem Anteil zwischen 30 % und 49 % an der Betreuung des Kindes beteiligt. Zur Ermittlung der Betreuungsanteile soll es auf die Anzahl der Übernachtungen ankommen. Nur dann, wenn sich die Anzahl der Übernachtungen als im Einzelfall untaugliches Beurteilungskriterium erweist, sollen auch andere Umstände herangezogen werden können. Das Eckpunktepapier nennt hier beispielsweise die Übernahme der Betreuung des Kindes bei Krankheit, die Organisation der Freizeit, die Wahrnehmung von Terminen in der Schule oder beim Arzt.
Dies weicht von der bisherigen Praxis ab, die schon jetzt die Betreuung im Residenzmodell von der im symmetrischen Wechselmodell abgrenzen muss. Bisher erfolgte diese Abgrenzung nach Maßgabe der konkreten regelmäßigen Betreuungszeiten insgesamt, also unter Einschluss der Tages- und Nachtzeiten und damit oftmals stundengenau. Das geplante Abstellen auf die Anzahl der Übernachtungen stellt vor diesem Hintergrund eine durchaus begrüßenswerte Vereinfachung dar. Das Abstellen auch auf die Tagesbetreuungszeiten bereitete nämlich oftmals Schwierigkeiten, soweit es um die Zuordnung von Fremdbetreuungszeiten in Schule oder Kita ging. Auch die mitunter sehr kleinteilige stundengenaue Erfassung führte zu einer übermäßigen Aufblähung des Streitstoffes. Durch die vorgesehene Möglichkeit, im Einzelfall auch andere Kriterien heranzuziehen, bleibt zudem die notwendige Flexibilität erhalten.
Zur Veranschaulichung sind dem Eckpunktepapier als Anlage 1 verschiedene Beispiele beigefügt, aus denen sich entnehmen lässt, bis zu welchem Umfang der Betreuung noch das Residenzmodel und ab wann schon eine Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell vorliegen soll.
Ausgangspunkt der Beispiele ist jeweils, dass die gesetzlichen Schulferien jährlich 14 Wochen betragen und zwischen den Eltern hälftig geteilt werden, d.h. jeder Elternteil betreut die Kinder während 7 Wochen Schulferien. Das entspricht 7 × 7 = 49 Nächten. Sofern in einzelnen Bundesländern kürzere Ferienzeiten gelten, führt dies – solange die Ferien hälftig geteilt werden – zu keinen abweichenden Ergebnissen.
Sodann enthält die Anlage folgende Betreuungsbeispiele:
Aufteilung der Betreuung zwischen den Ferien |
An... |