Vom 13. bis 16.9.2016 fand der 71. Deutsche Juristentag in Essen statt. Die erstmals seit acht Jahren wieder gebildete familienrechtliche Abteilung unter Vorsitz von Prof. Dr. Nina Dethloff, Universität Bonn, befasste sich mit den Fragen der rechtlichen, biologischen und sozialen Elternschaft und den Herausforderungen des Rechts durch moderne Familienformen. Nachfolgend werden die wichtigsten Beschlüsse zusammengefasst:
A. Künstliche Befruchtung mittels Samenspende bei verschiedengeschlechtlichen Paaren
Wird ein Kind durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt, so soll es nach Ansicht der weit überwiegenden Mehrheit der Abstimmenden abstammungsrechtlich der Person zugeordnet werden, die mit Zustimmung der Mutter in diese Befruchtung eingewilligt hat. Die Anfechtung dieser Elternschaft soll ausgeschlossen sein. Die Einwilligung in die künstliche Befruchtung soll nur bis zum Zeitpunkt der Befruchtung widerruflich sein. Der Samenspender soll nicht gerichtlich als Vater festgestellt werden können, wenn er den Samen einer Samenbank zur Verfügung gestellt hat (offizielle Samenspende) oder die Eltern vor der Zeugung erklärt haben, dass dem genetischen Vater keine Elternposition zukommen solle. Handelt es sich hingegen um eine private Samenspende und werde das Kind rechtlich keinem anderen Vater zugeordnet, so soll die Vaterschaft des Samenspenders gerichtlich festgestellt werden können. Die persönlichen Daten des Keimzellenspenders sollen in einem zentralen staatlichen Register dokumentiert werden, um dem Kind die Kenntnis von seiner Abstammung zu ermöglichen. Zur isolierten (rechtsfolgenlosen) Klärung der Abstammung von einem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Elternteil soll ein Abstammungsklärungsverfahren eingeführt werden.
B. Gleichgeschlechtliche Elternschaft
Eingetragenen Lebenspartnern soll die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Adoption eröffnet werden. Die lesbische Partnerin der Geburtsmutter soll bereits mit der Geburt des Kindes die rechtliche Elternschaft erlangen können, wobei die abstammungsrechtlichen Regelungen zur Vaterschaft anwendbar sein sollen. Abgelehnt wurde der Vorschlag zur rechtlichen Elternschaft von mehr als zwei Personen bei intendierter pluraler Elternschaft in Queer-Families.
C. Leihmutterschaft
Die Mehrheit der Abstimmenden war der Auffassung, dass eine im Ausland nach den dort geltenden Regeln legal durchgeführte Leihmutterschaft auch im Inland akzeptiert werden solle und hierfür entweder im deutschen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht oder im deutschen Sachrecht geeignete Mechanismen zu entwickeln seien.
D. Anfechtungsrechte
Uneinheitlicher war das Bild zur Stärkung des Anfechtungsrechts des biologischen Vaters. Die Sperrwirkung der sozial-familiären Beziehung nach § 1600 Abs. 2 und 4 BGB soll bestehen bleiben, allerdings nicht innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt gelten, wobei auch der Vorschlag, an Stelle der Sperrwirkung innerhalb der allgemeinen Anfechtungsfrist eine Kindeswohlprüfung treten zu lassen, Zustimmung fand.
E. Patchwork-Familien
Breite Zustimmung fand der Vorschlag, den Begriff der elterlichen Sorge durch den Begriff der elterlichen Verantwortung zu ersetzen und die rechtliche Position sozialer Eltern zu stärken. Einem Stiefelternteil soll nach mindestens zwei Jahren häuslicher Gemeinschaft mit Zustimmung der Eltern das Mitsorgerecht neben den bisher Sorgeberechtigten eingeräumt werden, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Stiefelternteil dann auch zum Kindesunterhalt verpflichtet sein soll, wurde mit unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen diskutiert.
F. Pflegefamilien
Es bestand Einigkeit, dass bei offiziellen Pflegeverhältnissen der dauerhafte Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie zuverlässiger zu klären ist, insbesondere durch Verwirklichung, Evaluierung und Fortentwicklung bestehender Rückführungskonzepte. Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf Pflegeeltern soll möglich sein, wenn sie den rechtlichen Eltern nicht zusteht. Bei längerer Pflege sollen die Pflegeeltern als Vormund bevorzugt berücksichtigt werden; ihnen sollen im Rahmen von Kinderschutzverfahren eigene Beschwerderechte eingeräumt werden. Bei unwahrscheinlicher Rückkehroption in die Herkunftsfamilie sollten Pflegeverhältnisse deutlicher als bisher als auf Dauer angelegte Lebensperspektive anerkannt werden.
G. Adoption
Die Mehrheit der Abstimmenden votierte für die Gestaltung der Adoptionsvoraussetzungen unabhängig vom Status des Adoptionswilligen. Es gelte sich, vom Leitbild der Inkognitoadoption zu verabschieden. Das Kind solle nach der Adoption ein Umgangsrecht mit der Herkunftsfamilie haben, wenn dies seinem Wohl diene. Hierbei sollten die Jugendämter Hilfestellung leisten. Den Herkunftseltern solle gegen die Adoptiveltern ein Informationsanspruch eingeräumt werden, soweit dies dem Kindeswohl nicht widerspreche.
Autor: Gabriele Ey
Gabriele Ey
FF 12/2016, S. 477 - 478