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Verfahren nach dem GewSchG (§§ 210 ff. FamFG) sind Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Verfahren können gerichtet sein auf gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen (§ 1 GewSchG), auf Überlassung einer gemeinsam genutzten Wohnung (§ 2 GewSchG) oder auf beides. Möglich sind auch dahingehende einstweilige Anordnungen (§ 214 FamFG). Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die anwaltliche Vergütung in diesen Verfahren geben.
I. Außergerichtliche Vertretung
Für die außergerichtliche Vertretung erhält der Anwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren hälftig, höchstens zu 0,75 auf die dortige Verfahrensgebühr anzurechnen ist (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG).
Wird eine Einigung getroffen, so entsteht eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG.
II. Erstinstanzliches Verfahren
Verfahren nach §§ 1, 2 GewSchG werden nach Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG (Nr. 3100 ff. VV RVG) vergütet.
Zu beachten ist, dass es sich bei einem Verfahren auf Anordnung einer Maßnahme und einem späteren Verfahren auf Verlängerung der Maßnahme (§ 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GewSchG; § 2 Abs. 2 S. 3 GewSchG) um zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG handelt, so dass der Anwalt seine Vergütung in beiden Angelegenheiten gesondert erhält.
Der Anwalt erhält zunächst einmal eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, die sich unter den Voraussetzungen der Nr. 3101 Nr. 1 u. 2 VV RVG auf 0,8 ermäßigen kann. Der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG ist dagegen unanwendbar.
Macht der Anwalt Ansprüche für mehrere Auftraggeber geltend, insbesondere für Ehefrau und Kinder, so liegt kein Fall der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG vor. Vielmehr handelt es sich um verschiedene Gegenstände, so dass nur eine einfache Verfahrensgebühr entsteht, allerdings aus den addierten Werten der einzelnen Ansprüche (s.u. V. 1.).
Ist eine außergerichtliche Vertretung vorausgegangen, so ist die dort verdiente Geschäftsgebühr hälftig, höchstens zu 0,75, anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG).
Kommt es zu einem gerichtlichen Termin (Vorbem. 3 Abs. 1 S. 2 VV RVG) oder zu einer Besprechung der Beteiligten i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG, entsteht eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG.
Da in Gewaltschutzsachen weder eine mündliche Verhandlung noch ein Erörterungstermin vorgeschrieben sind (§ 32 Abs. 1 FamFG), kann eine Terminsgebühr in Anwendung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG weder bei einer schriftlichen Entscheidung noch bei einem schriftlichen Vergleich entstehen.
Andererseits kann eine Ermäßigung der Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG nicht eintreten, da eine Versäumnisentscheidung in diesen Verfahren nicht möglich ist.
Treffen die Beteiligten eine Einigung über die anhängigen Ansprüche, so entsteht eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG. Werden weitere, nicht anhängige Gegenstände in die Einigung mit einbezogen, entsteht insoweit unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,5-Einigungsgebühr aus dem Mehrwert.
III. Rechtsmittelverfahren
Im Beschwerdeverfahren gelten die Gebühren der Nr. 3200 ff. VV RVG (Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b VV RVG), im Rechtsbeschwerdeverfahren – einschließlich des Verfahrens auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde (§ 16 Nr. 11 RVG) – die nach den Nr. 3206 ff. VV RVG (Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 Buchst. a VV RVG). Die Einigungsgebühr bestimmt sich hier nach Nr. 1004 VV RVG (Anm. Abs. 1 zu Nr. 1004 VV RVG) und beläuft sich auf 1,3.
IV. Einstweilige Anordnung
1. Anordnungsverfahren
Kommt es zu einem einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 214 FamFG), ist dies nach § 17 Nr. 4 Buchst. b RVG gegenüber der Hauptsache eine eigene selbstständige Angelegenheit, in der der Anwalt seine Vergütung gesondert erhält. Es gelten auch hier die Nr. 3100 ff. VV RVG. Das gilt auch dann, wenn eine einstweilige Anordnung erstmals vor dem Beschwerdegericht beantragt wird (Vorbem. 3.2 Abs. 2 S. 2 VV RVG).
Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, entsteht keine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG, da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht der Zustimmung der Beteiligten bedarf (§ 51 Abs. 2 S. 2 FamFG). Wird dagegen ein schriftlicher Vergleich geschlossen, fällt die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG an, da nach § 54 Abs. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung in diesen Verfahren vorgeschrieben ist.
Die Anwendung der Nr. 3105 VV RVG ist ausgeschlossen, da eine Versäumnisentscheidung nicht möglich ist (§ 51 Abs. 2 S. 3 FamFG).
Zu beachten ist auch hier, dass eine einstweilige Anordnung und ein späteres Verfahren auf Verlängerung der Maßnahme (§ 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 2; § 2 Abs. 2 S. 3 GewSchG) zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG darstellen, so dass die anwaltliche Vergütung gesondert anfällt.