Einleitung
Am 22.7.2017 ist das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen in Kraft getreten. Am Zustandekommen und der Ausgestaltung des Gesetzes hat es viel – zum Teil berechtigte – Kritik gegeben. Als für das Gesetzesvorhaben zuständige Berichterstatterin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag möchte ich im Folgenden die Hintergründe des Zustandekommens näher beleuchten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Umgang mit Minderjährigenehen, die nach ausländischem Recht geschlossen worden sind.
Als Folge des starken Zuzugs Geflüchteter im Jahr 2015 und Anfang 2016 wurden vermehrt Fälle bekannt, in denen minderjährige Mädchen nach Deutschland und in andere EU-Staaten einreisten, die in ihren Herkunftsländern oder in Flüchtlingslagern mit zum Teil deutlich älteren Männern verheiratet worden waren. Das Ausländerzentralregister wies zum Stichtag 31.7.2016 1.475 in Deutschland lebende ausländische Minderjährige – zu ca. 78 % Mädchen – mit dem Familienstand "verheiratet" aus. Dabei handelte es sich überwiegend um 16- und 17-Jährige (67 %), aber zu einem erheblichen Teil auch um unter 14-Jährige (24 %) mit den Hauptherkunftsstaaten Syrien, Afghanistan und Irak. Die öffentliche Diskussion um die rechtliche Behandlung von Minderjährigenehen nahm zudem nach einer Entscheidung des OLG Bamberg vom 12.5.2016 rasant an Fahrt auf. Das OLG Bamberg gestand dem Jugendamt als Amtsvormund nicht zu, über den Aufenthalt und den Umgang eines 15-Jährigen – ein Jahr zuvor in seiner Heimat mit einem 21-Jährigen verheirateten – syrisch-sunnitischen Mädchens zu bestimmen. Es entschied, dass die in Syrien nach syrischem Eheschließungsrecht wirksam geschlossene Ehe einer zum Eheschließungszeitpunkt 14-Jährigen mit einem Volljährigen in Deutschland als wirksam anzuerkennen ist.
Innerhalb unserer Fraktion waren wir uns einig, dass der Gesetzgeber eine klare Wertentscheidung treffen muss, die zum Ausdruck bringt, dass Minderjährigenehen in Deutschland nicht akzeptiert werden. Gleichwohl die polemisch-zugespitzte Aussage "Kinder gehören in die Schule und nicht in die Ehe" der komplizierten Diskussion über Ehemündigkeitsalter und dem rechtlichen Umgang mit Minderjährigenehen in Deutschland nicht annähernd gerecht wurde, so traf sie dennoch einen Nerv. Wenn Mädchen in einem Alter von 12 oder 14 Jahren verheiratet werden, sinken ihre Bildungschancen und zugleich die Wahrscheinlichkeit auf eine selbstgelenkte Zukunft.
Sowohl die Gleichberechtigung von Mann und Frau als auch der Vorrang des Kindeswohls sind Grundsäulen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dieses Werteverständnis und das unverrückbare Ziel, Minderjährige vor frühzeitigen Ehen zu schützen, verbanden alle Fraktionen im Deutschen Bundestag. Uneinigkeit herrschte jedoch darüber, welcher Weg eingeschlagen werden sollte, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
I. Rechtliche Ausgangssituation
In rechtlicher Hinsicht waren diese Ehen in Deutschland grundsätzlich anzuerkennen, sofern die Ehegatten sie nach ihrem jeweiligen Heimatrecht wirksam geschlossen hatten (Art. 13 Abs. 1 EGBGB). Die Anerkennung konnte nur versagt werden, wenn ein Verstoß gegen den sog. ordre public vorlag (Art. 6 EGBGB) und dieser Verstoß die Unwirksamkeit der Ehe zur Folge hatte. Hierzu hatte sich eine nicht ganz einheitliche einzelfallbezogene Rechtspraxis entwickelt, die hinsichtlich der Frage, ob gegen den ordre public verstoßen wurde, zwischen verschiedenen Altersstufen differenzierte: Üblicherweise wurden ausländische Altersgrenzen von zumindest 16 Jahren als unproblematisch angesehen, weil auch das deutsche Recht Eheschließungen in diesem Alter – wenn auch erst nach familiengerichtlicher Befreiung im Einzelfall (§ 1303 Abs. 2 BGB) – zuließ. Regelungen, die eine Eheschließung vor Vollendung des 14. Lebensjahres erlaubten, wurden – schon wegen der Strafbarkeit von sexuellen Handlungen an und von unter 14-Jährigen (§ 176 Abs. 1 StGB) – hingegen überwiegend für unzulässig gehalten. Für dazwischenliegende Altersschwellen existierten uneinheitliche Entscheidungen. Eine Verletzung des ordre public konnte allerdings auch geheilt werden, etwa wenn die Ehegatten seit etlichen Jahren einvernehmlich zusammen lebten ("Langzeitehen"). Verstieß eine ausländische Ehemündigkeitsvorschrift gegen den ordre public, kam es hinsichtlich der Rechtsfolge nach überwiegender Rechtsprechung vorrangig darauf an, welche Folge das jeweilige Heimatrecht für Verstöße gegen Ehemündigkeitsregeln vorsah. Führte eine vorzeitige Eheschließung nach den Vorschriften des Herkunftslandes dazu, dass die Ehe dort unwirksam war, so wurde die Ehe üblicherweise nicht als gültig anerkannt. Sah das Heimatrecht dagegen vor, dass die Ehe in diesem Fall zwar fehlerhaft, aber zunächst wirksam und lediglich aufhebbar ist, so galt dies grundsätzlich auch für d...