Kindesschutzverfahren und Elternkonfliktverfahren können einen einheitlichen Verfahrensgegenstand bilden. Dies betrifft insbesondere die Konstellation, in der das Familiengericht sowohl zu prüfen hat, ob einem Elternteil antragsgemäß nach § 1671 BGB die Alleinsorge zu übertragen ist, als auch von Amts wegen zu prüfen hat, ob für dasselbe Kind familiengerichtliche Maßnahmen gemäß den §§ 1666, 1666a BGB zu treffen sind. Beide Prüfungen und Entscheidungen bilden einen einheitlichen Verfahrensgegenstand "elterliche Sorge" (nämlich eine einheitliche Kindschaftssache) im Sinne der §§ 151 Nr. 1 FamFG, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG. Es ist in einem einheitlichen Verfahren und in einer einheitlichen Entscheidung darüber zu befinden, welche Entscheidung zur elterlichen Sorge für die Kinder zu treffen ist.
Der Grund dafür liegt zum einen in der Bestimmung des § 1671 Abs. 4 BGB, wonach dem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge dann nicht stattzugeben ist, wenn die elterliche Sorge aufgrund anderer Vorschriften (d.h. namentlich nach den §§ 1666 f. BGB) abweichend geregelt werden muss. Unterbleibt diese Prüfung und enthält die instanzbeendende Entscheidung hierzu keine Feststellungen, liegt eine unzulässige Teilentscheidung vor, die auch ohne Antrag eines Beteiligten die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG rechtfertigt.
Zum anderen gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, im Rahmen der Prüfung nach den §§ 1666 f. BGB als milderes Mittel gegenüber einem Entzug der elterlichen Sorge deren Übertragung auf einen Elternteil allein in den Blick zu nehmen. Eine Entscheidung nach den §§ 1666 f. BGB erübrigt sich, wenn mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil die Gefahr für das Kindeswohl abgewendet werden kann.
Diese in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte schon seit langem einhellige Auffassung hat nun das OLG Frankfurt bestätigt. Zu Recht weist das OLG Frankfurt auf den weiteren Gesichtspunkt hin, dass zudem bei Aufteilung beider Prüfungen auf zwei Verfahren die Gefahr widerstreitender Entscheidungen besteht.
In der familiengerichtlichen Praxis ist dabei Folgendes zu beachten:
Ergeben sich die Anhaltspunkte zur Prüfung kindesschutzrechtlicher Maßnahmen nach den §§ 1666 f. BGB (auf Anregung des Jugendamts oder auf anderem Wege) im Rahmen eines auf Antrag eines Elternteils nach § 1671 BGB eingeleiteten Verfahrens, hat das Familiengericht die Beteiligten nach § 28 Abs. 1 FamFG darauf hinzuweisen, dass auch eine Prüfung gemäß den §§ 1666 f. BGB stattfindet. Das Jugendamt ist darauf hinzuweisen, dass es nicht mehr nur anzuhören (§ 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG), sondern beteiligt ist (§ 162 Abs. 2 Satz 1 FamFG).
Kommt umgekehrt im Rahmen eines von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens nach den §§ 1666 f. BGB als milderes Mittel die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil in Betracht und hat dieser noch keinen Antrag nach § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt, hat das Familiengericht gemäß § 28 Abs. 2 FamFG auf eine solchen sachdienlichen Antrag hinzuwirken.
Sieht das FamFG für Antragsverfahren gemäß § 1671 BGB einerseits und für Offizialverfahren gemäß den §§ 1666 f. BGB andererseits unterschiedliche Bestimmungen vor, gilt die jeweils ärgere Bestimmung. Es gelten insbesondere § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG (zwingende Bestellung eines Verfahrensbeistands), 159 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FamFG (zwingende persönliche Anhörung des Kindes bzw. Verschaffung eines persönlichen Eindrucks, es sei denn, es liegt ein schwerwiegender Grund i.S.v. § 159 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG vor) und § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG (in der Beschwerdeinstanz keine Übertragung auf den Einzelrichter und kein Absehen von der Durchführung eines Termins sowie der persönlichen Anhörung des Kindes).
Der Beschluss in einem solchen einheitlichen Verfahren sollte sich möglichst auch in der Beschlussformel zu beiden Punkten verhalten, also bspw. "Die elterliche Sorge wird dem Vater allein übertragen. Kindesschutzrechtliche Maßnahmen sind nicht veranlasst." Oder: "Den Eltern wird die elterliche Sorge entzogen. Vormundschaft wird angeordnet. Als Vormund wird X ausgewählt. Der Antrag des Vaters, ihm die elterliche Sorge allein zu übertragen, wird zurückgewiesen."
Ist beim Beschwerdegericht eine Hauptsache nach § 1671 BGB anhängig, ist das Amtsgericht für ein Verfahren der einstweiligen Anordnung nach den §§ 1666 f. BGB unzuständig (§ 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Gleiches gilt, wenn beim Beschwerdegericht eine Hauptsache nach den §§ 1666 f. BGB anhängig ist, für ein Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 1671 BGB.