Ehewohnung
OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.7.2022 – 6 UF 87/22
1. Eine unbillige Härte i.S.d. § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn in Bezug auf die noch in der Ehewohnung mit der Mutter verbliebenen Kinder die abstrakte Befürchtung einer Destabilisierung der Kinder durch einen Umzug mit der Folge des etwaigen Verlusts der sozialen Bindungen in den Bildungseinrichtungen, im Freundeskreis und bei Vereinen besteht und die Mutter während der Trennungszeit keinerlei Anstrengungen zur Suche von Ersatzwohnraum unternommen hat.
2. Begehrt der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung nach § 1568a Abs. 1 BGB an sich, gilt der Maßstab von § 1568a Abs. 2 S. 1 BGB entsprechend, sodass ihm der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann.
Sorge- und Umgangsrecht
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.8.2022 – 5 UFH 3/22
Bei einer Weigerung der Eltern, das Kind eine Schule besuchen zu lassen, kommt eine Kindeswohlgefährdung in Betracht, auch wenn die Eltern auf andere Weise für eine hinreichende Wissensvermittlung und sonstige Entwicklung des Kindes sorgen.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 22.7.2022 – 1 UF 180/20
1. Die elterliche Sorge ist ein einheitlicher, unteilbarer Verfahrensgegenstand, unabhängig davon, ob Maßnahmen nach § 1666 BGB oder nach § 1671 BGB zu prüfen sind.
2. Sieht ein Kind sich wiederholt veranlasst, einem Elternteil gegenüber unwahre Angaben zu machen, kann dies ein Anzeichen für die Bedienung einer elterlichen Erwartungshaltung sein; die ungeprüfte Übernahme auch unplausibler Angaben weist auf eine Einschränkung der elterlichen Feinfühligkeit hin.
3. Beruht die Verweigerung des Umgangs mit dem anderen Elternteil durch das Kind auf der Bindungsintoleranz des betreuenden Elternteils, spricht dies zumindest bei Vorliegen weiterer Bedenken gegen dessen Erziehungsfähigkeit für einen Wechsel des Lebensmittelpunkts.
4. Ob die im Verfahren entstandenen Gutachtenkosten außergewöhnlich und überraschend hoch sind, sodass im Rahmen der Ermessensentscheidung des § 81 Abs. 1 FamFG das Absehen von der Kostenerhebung in Betracht kommt, hängt von der Schwierigkeit der Sache und dem erforderlichen Aufwand der Begutachtung ab. Jedenfalls in hochstreitigen Sorgerechtsverfahren mit mehreren Terminen zur Erläuterung des Gutachtens können Gutachterkosten zwischen 10.000 EUR und 20.000 EUR erwartbar sein.
Personenstandsrecht
BGH, Beschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 504/21
Zur Bindungswirkung der Bestimmung über den Geburtsnamen eines Kindes für früher geborene Geschwisterkinder.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.11.2022 – 7 W 104/22
1. § 47 Abs. 1 S. 3 PStG weist den Dokumenten des Heimatstaates keine formelle Beweiskraft oder auch nur eine Richtigkeitsvermutung zu. Vielmehr stellt die Norm – allein – klar, dass das Dokument zur Feststellung des Sachverhalts ausreichen kann, wenn andere Urkunden oder Dokumente nicht erreichbar sind und wenn nichts gegen die Überzeugungsbildung allein anhand des vorgelegten Dokuments spricht.
2. Der erläuternde Zusatz beim Geburtseintrag eines Kindes, die Identität ihrer Mutter sei ungeklärt, besagt nicht, die Angaben der Antragstellerin seien falsch, sondern er beschränkt sich darauf, die Angaben seien nicht nachgewiesen. (LS red. ergänzt)
Verfahrensrecht
BGH, Beschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22
a) Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss.
b) Eine nachgeholte Glaubhaftmachung dreieinhalb Wochen nach der Ersatzeinreichung ist nicht unverzüglich erfolgt.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.7.2022 – 1 UF 180/20
1. Die Berichtigung der Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung in Kindschaftssachen kann in entsprechender Anwendung von § 42 FamFG bei offenbarer Unrichtigkeit erfolgen.
2. Ob und inwieweit nicht entscheidungserheblicher tatsächlicher Vortrag und im Termin geäußerte Ansichten der Dokumentation bedürfen, ist vom Einzelfall abhängig und steht im Ermessen des Gerichts.
Verfahrenskostenhilfe
OLG Braunschweig, Beschl. v. 4.10.2022 – 1 WF 125/22
1. Bei der Frage nach dem Vorliegen einer die Anwaltsbeiordnung in einem Umfangsverfahren rechtfertigenden schwierigen Sach- oder Rechtslage können in subjektiver Hinsicht auch besondere psychische Belastungen des, um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten zu berücksichtigen sein.
2. Wenn das Gericht bis zum Erörterungstermin nicht auf Bedenken gegen die Anwaltsbeiordnung hingewiesen hat, darf ein Beteiligter, der rechtzeitig vorab einen entscheidungsreifen Verfahrenskostenhilfeantrag eingereicht hat, darauf vertrauen, dass die beantragte Beiordnung erfolgen wird. Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen von § 78 Abs. 2 FamFG darf in einer solchen Situation die Anwaltsbeiordnung mit Rück...