Maßgeblich für die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist die Frage, wie sich das Verhalten der Kindeseltern auf das Kindeswohl auswirkt.
Ist nicht erkennbar, dass die Kinder vom Streit der Eltern über Sorgerechtsfragen negativ berührt sind, rechtfertigen solche Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten als solche nicht die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Nur wenn die begründete Annahme besteht, dass die Eltern eine dem Kindeswohl dienende Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht gewährleisten können, kann aufgrund der Zerstrittenheit die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden.
Dies muss anhand einer konkreten Einzelfallprüfung entschieden werden. Der zum Teil recht undifferenzierte Schluss von Streitigkeiten der Eltern auf negative Auswirkungen für das Kind ist in dieser Pauschalität nicht zutreffend. Zwar ist bei erheblichen Streitigkeiten eine genaue Prüfung der Auswirkungen auf das Kind angezeigt, da erhebliche Konflikte jedenfalls ein Risikofaktor für die weitere Entwicklung des Kindes sind. Es sind aber Konstellationen denkbar, bei denen die Auswirkungen von Streitigkeiten auf das Kind gering sind. So sind dem Verfasser aus seiner Praxis Fälle bekannt, bei denen die Eltern trotz erheblicher Streitigkeiten so verantwortungsvoll sind, die Streitigkeiten vor dem Kind zu verbergen. Auch konnten Sorgerechtsfragen in der Vergangenheit – trotz Schwierigkeiten – immer konstruktiv gelöst werden. Ein Ausschluss eines Elternteils von der gemeinsamen Sorge in diesen Konstellationen dürfte dem grundrechtlichen Schutz des Mitsorgerechts nicht ausreichend Rechnung tragen. Ist das Verhältnis der Kindeseltern hingegen nachhaltig zerrüttet, dürften in aller Regel auch negative Auswirkungen auf das Kindeswohl vorliegen.
Der Bundesgerichtshof neigt in dieser Frage eher zu einer abstrakten Betrachtungsweise. Für ihn genügt die begründete Befürchtung bzw. das Risiko, dass es zu einer Belastung des Kindes durch die Streitigkeiten der Eltern kommt.
Typische negative Auswirkungen auf das Kind bei erheblichen Streitigkeiten sind ausgeprägte Loyalitätskonflikte, die zu erheblichen psychischen Beeinträchtigungen beim Kind führen können. Ebenso hat das Miterleben regelmäßiger Auseinandersetzungen der Eltern oft negative Auswirkungen auf das Kind. Auch wenn das Kind durch die Eltern in eine "Vermittlerrolle" gedrängt wird, welche das Kind regelmäßig überfordert, dürfte eine negative Auswirkung auf das Kind gegeben sein. Dies gilt auch bei zahlreichen familiengerichtlichen Verfahren über Sorgerechtsfragen, die mit einer entsprechenden Involvierung des Kindes (Begutachtungen, Anhörungen) verbunden sind. Dies kann zu negativen Auswirkungen auf das Kind führen. Ergebnis ständiger Uneinigkeit der Eltern kann weiterhin sein, dass für das Kind wichtige Fragen (Gesundheitsbehandlung, Schulwahl) nicht oder nur verspätet entschieden werden. Auch eine Instrumentalisierung des Kindes gegen den anderen Elternteil bzw. die Abwertung des anderen Elternteils vor dem Kind stellt eine typische negative Auswirkung auf das Kindeswohl dar.
Der Wunsch eines Kindes nach Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge sollte – abgesehen von der Frage des zukünftigen Aufenthalts des Kindes – nicht überbewertet werden. Insbesondere bei kleineren Kindern besteht kaum eine realistische Vorstellung über den Inhalt und die Bedeutung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Auch beruhen diese Erklärungen von Kindern häufig auf Beeinflussungen eines Elternteils. Anders kann sich die Situation bei älteren Kindern darstellen.