Klaus Weil
Versorgungsausgleichsverfahren stellen immer eine Herausforderung für alle Verfahrensbeteiligte dar. Insbesondere Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG oder schuldrechtliche Ausgleichsverfahren können zu kafkaesken Zuständen führen. Da zudem isolierte Versorgungsausgleichssachen keine Familienstreitsachen sind, besteht bei ihnen – außer in Fällen des Scheidungsverbunds – kein Anwaltszwang. Dies führt immer wieder zu grotesken Verfahrensabläufen. Ein solcher soll hier beispielhaft dargestellt werden:
Die Ehefrau selbst beantragt Ende 2007 die Abänderung der Erstentscheidung zum Versorgungsausgleich aus dem Jahr 1997 noch nach altem Recht (§ 10a VAHRG). Aufgrund einer im Erstverfahren gegenseitig erteilten "Generalquittung" der Beteiligten – gemeint war wohl die Feststellung keiner weiteren wechselseitigen Ansprüche – verneint das Familiengericht zunächst die Zulässigkeit ihres Antrags. Ende 2008 hebt das OLG die Entscheidung auf und verweist zurück an das Familiengericht. Das Familiengericht – offenbar verwirrt – fasst die Anrechte in einer Verfügung zusammen, die aufgrund des Antrags schuldrechtlich auszugleichen seien. Daraufhin sieht sich der beauftragte Verfahrensbevollmächtigte veranlasst, innerhalb des Abänderungsverfahrens nunmehr den schuldrechtlichen Ausgleich geltend zu machen. Mitte 2009 verpflichtet das Familiengericht die Beteiligten, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen, da der Ehemann den Ausschluss der Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt hat. Auskünfte von den beteiligten Versorgungsträgern im Rahmen der Abänderung wurden bis dahin nicht eingeholt. Da keine Auskunftserteilung durch die Ehefrau erfolgt, ergeht Mitte 2011 in einem weiteren Verfahren ein Zwangsgeldbeschluss gegen sie.
Zwischenzeitlich tritt das neue Versorgungsausgleichsrecht in Kraft. Die Abänderung richtet sich also jetzt nach § 51 VersAusglG. Allerdings sind noch immer keinerlei Auskünfte eingeholt. Stattdessen beschäftigt sich das OLG nunmehr mit dem von der Ehefrau angegriffenen Zwangsgeldbeschluss und bestätigt ihn. Die Ehefrau gibt daraufhin ihre Auskünfte zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen gegenüber dem Gericht ab, sieht sich jetzt aber dem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegenüber. Das Familiengericht erlässt den Beschluss Ende 2012. Ein halbes Jahr später wird er vom OLG aufgehoben. Auskünfte der Versorgungsträger sind noch immer nicht eingeholt. Die Ehefrau hat zwischenzeitlich ihren Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Ausgleichs wieder zurück genommen. Ende 2013 ergeht dann – nach insgesamt 6 (!) Jahren – die Entscheidung zur Abänderung des Versorgungsausgleichs. Hiergegen legt der Ehemann Beschwerde ein – Ende offen.
Ein solches Verfahren führt dazu, dass die bereits berentete Ehefrau, wie bei Josef K., der "Gedanke an den Prozeß nicht mehr verlässt", und dies über Jahre hinweg. Auch das Familiengericht bleibt für die Beteiligten in seinen Entscheidungen und Verfahrensabläufen rätselhaft und nicht eindeutig nachvollziehbar. Schon Roman Herzog hat postuliert: "Das kann doch nicht sein, dass der Bürger, der sich gesetzmäßig verhält, sich wie ein Idiot vorkommen muss."
Der Gesetzgeber war allerdings der Auffassung, dass isolierte Versorgungsausgleichsverfahren weniger Auswirkungen und existenzielle Folgen für die beteiligten Eheleute haben als Unterhaltsverfahren und damit keinem Anwaltszwang unterliegen. Allein die ständig zunehmende Komplexität des materiellen Versorgungsausgleichsrechts verbietet es allerdings, dass solche Verfahren allein durch die Beteiligten selbst geführt werden. Selbst die Verfahrensbevollmächtigten in Abänderungs- und schuldrechtlichen Ausgleichsverfahren haben es teilweise schwer, den Verfahrensüberblick zu behalten und die erteilten Auskünfte der Versorgungsträger auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Den beteiligten Eheleuten ist dies so gut wie in keinem Fall möglich. Der Anwaltszwang sollte auch für diese Verfahren gelten.
Dann bliebe Josef K. zumindest im Versorgungsausgleich Fiktion.
Autor: Klaus Weil
Klaus Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Marburg
FF 3/2014, S. 89